Paula geht
angerufen und ihr ohne Begründung höflich gesagt, dass die Stelle anderweitig vergeben würde.
Als sie die Vorderfront ihres Häuschens anstarrte, fühlte sie sich, als hätte jemand ihr Heiligtum geschändet. Sicher, sie hatte das Haus außen noch nicht gestrichen. Womit auch, wenn man pleite war. Aber der fleckige Anstrich hatte sie auch nicht gestört. Mühsam erhob sie sich, um den Schaden zu inspizieren. Die mussten tatsächlich eine Leiter dabei gehabt haben, so hoch wie die gekommen sind, das heißt, das Ganze war irgendwie geplant worden.
Aber wer sollte das gewesen sein? Klar, sie hatte nicht nur Freunde im Dorf, aber mit potentiellen Sprayern hatte sie es sich noch nicht verscherzt, zumindest nicht mit Absicht.
Sie kam auf niemanden, den sie verdächtigen konnte. Als sie vorsichtig mit dem Spachtel versuchte, die Farbe abzukratzen, kam ihr der Putz entgegen. Nun, das hatten wir ja schon, dachte sie entmutigt. Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie ging auf die andere Straßenseite und versuchte zu lesen, was da stand. Sie meinte die Worte „Schlampe“ und „Eso-Mist“ entziffern zu können, war sich aber nicht sicher. Aber sicher war sie sich jetzt, dass das Haus nicht nur als x-beliebige Fläche verwendet worden war, sondern die Schrift ihr galt.
„Wartet nur“, fauchte sie, „wenn ich euch erwische!“
Da spürte sie etwas Feuchtes an ihrer Hand. Nathan schleckte sie schwanzwedelnd ab. Und da kam auch schon sein Herrchen. „Hallo Paula, wollte mal sehen, wie‘s dir geht.“
Paula machte eine vage Handbewegung in Richtung Haus. „Siehst du ja. Wie soll‘s mir da schon gehen.“ Sie konnte leider nicht verhindern, dass ihr Tränen der Wut die Wangen runterliefen.
Ralf nickte anteilnehmend. „Keine Ahnung, wer so etwas macht, du hast ja niemandem was getan, oder?“
Was sollte dieses „Oder“? Paula sah ihn an. „Nein, das Einzige, was ich getan habe ist, dass ich versuche, hier zu wohnen, ein paar Leuten zu helfen, wenn ihre Kinder krank sind, und ansonsten ein ruhiges Leben zu führen und vielleicht noch einen Job zu finden. Wenn so etwas heute schon ein Verbrechen ist, dann bitte ...“
Ralf schüttelte erschrocken den Kopf. „Entschuldige, so hab ich das nicht gemeint.“
Inzwischen schluchzte Paula richtig. Irgendwie ging gerade alles schief.
Ralf sagte sanft: „Komm mal her“, und zog sie an seine Schulter. So standen sie da und Paula ließ sich einen kurzen Moment lang halten.
Dann löste sie sich mit letzter Kraft. „Das muss jetzt nicht sein, dass du mich noch tröstest. Ich gehe dann mal.“
„Aber ich tröste dich gerne, weißt du.“
Paula nickte und winkte ihm kurz zu, bevor sie die Tüten aufhob und ins Haus schlurfte.
Ralf kamen nun auch die Tränen. Warum musste diese Frau so stur sein, dass sie sich nicht helfen ließ? „Komm Nathan, heute gehen wir einen trinken.“
Paula lehnte sich von innen gegen die Tür. Das war knapp gewesen. Warum Ralf gerade in diesem Augenblick da war? Aber sie brauchte jetzt dringend jemandem zum Reden und um sich auszuheulen. Sie brauchte Sven. Wenn noch irgendein Funken ihrer Freundschaft da wäre, dann wird er ja wohl kommen, wenn ich Hilfe brauche, dachte sie. Auch wenn jetzt seit einigen Wochen Funkstille zwischen ihnen herrschte.
Sie suchte ihr Handy, um ihn anzurufen. Das Handy funktionierte nicht. Ja, kein Guthaben, klar. Langsam sammelten sich die Rechnungen. Sie hatte sie feinsäuberlich auf dem Empfangstresen gestapelt und die letzten schon gar nicht mehr aufgemacht.
Sollte sie einfach bei Sven vorbeischneien? Sie war noch nie bei ihm gewesen und wusste nur, dass er viel bei seiner Schwester war, die im Nachbardorf wohnte. Dort wollte sie auf keinen Fall stören, die hatte drei Kinder und genug zu tun.
Ich schaff das auch alleine, dachte sie und sah sich suchend um. Ihre Mutter konnte sie auch nicht anrufen. Die glaubte außerdem, es sei alles in bester Ordnung, denn Paula hatte ihr schon seit Wochen nicht mehr erzählt, wie es hier wirklich um sie stand. Sie sollte sich nicht auch noch Sorgen um ihre über vierzigjährige Tochter machen müssen, die ihr Leben immer noch nicht auf die Reihe bekam.
Ein heißes Schaumbad, ja, das wäre jetzt was, dachte sie und ging die Treppe hoch, um den altmodischen Boiler vorzuheizen. Vielleicht reichte es dann für eine halb gefüllte Wanne. Während sie auf dem Wannenrand saß, klingelte es. Sie überlegte, ob sie überhaupt öffnen sollte. Durch den Spion konnte sie nichts
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