Paula geht
nach Sex auch wirklich auf Trab gehalten. Er musste schmunzeln, wenn er daran dachte, was sie alles mit ihm alten Knochen angestellt hatte. Er war nur froh, dass er immer auf sichere Verhütung bestanden hatte. Was sie dann allerdings zum Schluss gesagt hatte, das hatte ihn doch ein wenig verletzt. „Ralf, ich glaube, ich habe mich auch mehr in deinen Hof als in dich verliebt. Du bist echt nett, aber vielleicht gibt es ja noch einen Landwirt, bei dem ich mich in beides verliebe. Vielleicht bewerbe ich mich doch mal bei ‚Bauer sucht Frau‘. Letzte Woche war ein ganz Süßer dabei.“
Wow, das wäre also geklärt.
Er hatte wirklich geglaubt, Elli ginge es um ihn. Er dachte, sie sei um seinetwillen so überschwänglich und wissbegierig bei allem, was mit der konkreten Hofführung zusammenhing. Na ja, wieder etwas gelernt. Aber dann brauchte er auch nicht ein so wahnsinnig schlechtes Gewissen zu haben im Nachhinein, das war ihm gerade recht.
Er hatte genug von schlechtem Gewissen. Er wollte jetzt wieder so leben, dass er sich rund um die Uhr in die Augen schauen konnte. Probehalber stiefelte er ins Bad und sah sich an. Ein Haarschnitt wäre mal wieder dringend nötig. Er musterte seine graumelierten verwachsenen Koteletten. Immerhin hatte er sich rasiert heute Morgen zum Beginn seines neuen Lebens. Er schnippelte ein bisschen an den störrischen Haaren, die ihm aus den Augenbrauen wucherten, gab es dann aber auf. Das sollte die Friseurin gleich mitmachen. Er ging zum Telefon und vereinbarte für morgen früh einen Termin.
Die Ringe unter seinen Augen hatten ihm gar nicht gefallen. Aber daran war vermutlich der abendliche Malt-Whiskey schuld. Auch das musste aufhören. Er holte die drei Flaschen aus seinem Vorratsschrank und ließ deren Inhalt in die Spüle laufen. Oh, wie das roch. Vielleicht hätte er sich doch ein Schlückchen zum Abschied genehmigen sollen? Aber nein, er musste ja noch fahren.
Nach einem Blick auf die Uhr zog er seine Arbeitsjacke und ein paar feste Stiefel an und sprang auf seinen Traktor. Zwei alte Schalbretter hatte er vorher in die hochgefahrene Schaufel gelegt. Was auch immer Sven vorhatte, es würde etwas mit Arbeit zu tun haben, dessen war er sich sicher. Und er freute sich drauf.
Im Vergleich zu ihrer Flucht vor gut einer Woche kam Paula richtig erholt zuhause an. Während sie ihren Rucksack und die Tüten mit den neuen Kleidern von der Bushaltestelle durch die Straßen schleppte, begrüßte sie jedes einzelne Haus, jedes verlassene Ladengeschäft, jeden Baum. Alles hier war überhaupt nicht spektakulär, ja nicht mal hübsch oder nett zu nennen und doch fühlte es sich richtig an. Paula wäre die letzten hundert Meter zu ihrem Haus gerne gerannt, war dazu aber einfach zu schwer bepackt. Auf der Polizeistation war es zum Glück schon dunkel. Auch das würde sie in der kommenden Woche klären müssen, aber es machte ihr nicht mehr so viel Angst. Die Mückenschwärme tanzten im Abendlicht, und sie freute sich auf ein warmes Bad und vor allem auf ihre Küche.
Ihren Ziegen gegenüber hatte sie ein richtig schlechtes Gewissen, aber sie verließ sich darauf, dass Ralf sie versorgt hatte. Sie hatte ihn vor einigen Tagen angerufen, aber zum Glück nur den Anrufbeantworter erreicht, so dass sie ihm nichts erklären musste.
Huch, jetzt war sie doch plötzlich zu weit gelaufen und stand schon vor dem Zaun von Matusseks. Wie hatte das passieren können?
Sie drehte um und überlegte, wie sie ihren Schlüssel aus dem Briefkasten fischen konnte oder ob sie Sven anrufen sollte, dem sie mal einen Ersatzschüssel aufgedrängt hatte. Aber sie hatte Bammel davor, Sven anzurufen. Er hatte sich sicher seinen Teil dabei gedacht, als er plötzlich vor verschlossener Tür stand, obwohl er nur – fürsorglich wie er war – nach ihr schauen wollte. Sie hätte ihn anrufen können, aber ...
Ihr stockte der Atem, als sie vor ihrem Häuschen stand. Das war doch nicht möglich! Sie schaute nach links und nach rechts, aber es gab keinen Zweifel, das war ihr Haus. Aber nicht mehr ihr Haus, sondern die herausgeputzte große Schwester ihres Hauses. Es strahlte in einem wunderschönen Gelbton, das ganze schwarze Graffiti-Geschmier war spurlos verschwunden. Und die Fensterläden waren auch gestrichen, blütenweiß. Sie sah sich verstohlen um, ob irgendwo eine versteckte Kamera auftauchen würde und das Ganze vielleicht ein schlechter Scherz war. Aber irgendetwas war noch verändert. Ja, der Vorgarten war
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