Paula geht
noch geschafft, ein paar knallige Oberteile zu ergattern, denn klare, kräftige Farben schienen gerade Saison zu haben. Besonders freute sie sich über die gutsitzende Unterwäsche, da ihre alte inzwischen dermaßen ergraut und ausgeleiert war, dass damit kein Blumentopf mehr zu gewinnen gewesen wäre. Na ja, der Hauptgewinn wäre ihr auch lieber anstelle eines Blumentopfs.
Paula merkte, wie langsam ihre Lebensgeister zurückkehrten und sie wieder offen wurde für die Menschen um sie herum. Ihre Mutter und Volker waren wirklich ein sehr schönes Paar. Er war ein richtiger Gentleman und ihre Mutter betete ihn an. Allerdings schaffte sie es, nicht völlig in die Weibchenrolle zu verfallen, sondern hatte sich ihre Schnodderschnauze bewahrt.
Schließlich parkten sie Paula bei Alfonso, einem Friseur, den ihre Mutter wärmstens empfehlen konnte, und verabredeten sich in drei Stunden wieder bei dem Lieblingsitaliener von Paula. Paula nahm an, sie würde viel Zeit für sich haben, aber der Friseurbesuch dauerte länger, da anscheinend das volle Verwöhnprogramm für sie gebucht worden war, inklusive Gesichtsmassage, Make-up und Maniküre. Der junge Friseurmeister, der irgendwie gar nicht schwul wirkte, verpasste ihre einen gestuften Bob. Paula sah mit wenig Bedauern auf den Berg strähniger Haare am Boden. Das war schon lange mal fällig gewesen. Dann wurden ihre Haare noch auf Empfehlung kastanienbraun mit einem leichten Rotstich getönt, um die grauen Strähnen besser zu integrieren, wie sich der junge Mann ausdrückte. Paula nickte nur und entspannte sich zunehmend. Irgendwie kam sie sich vor wie Pretty Woman, fehlte nur noch, dass sie George Clooney (den mochte sie lieber als Richard Gere) mit einer Rose zwischen den Zähnen vom Salon abholte.
Ihre Mutter hatte sie überredet, gleich eine leichte Leinenhose und die hellblaue Sommerbluse anzulassen. Paula hatte zugestimmt, aber mit Argusaugen darauf geachtet, dass ihre alten Klamotten nicht beseitigt wurden. Und als sie mit wippenden Haaren später über die Straße zur Pizzeria Firenze schritt, fühlte sie sich unbesiegbar. Na ja, zumindest den kommenden Herausforderungen deutlich mehr gewachsen als gestern um diese Zeit auf der Autobahn mit dem hochgereckten Daumen.
Sie sandte einen dankbaren Gedanken an Manfred, der den Anfang ihrer Glückssträhne eingeläutet hatte. Wenn sie daran dachte, dass sie ohne ihn vielleicht jetzt in Berlin eine weitere Nacht im Obdachlosenheim verbringen würde, schüttelte es sie.
Ihre Mutter pfiff bei ihrem Anblick durch die Zähne, Volker sprang auf und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Paula setzte sich verlegen. „Herzlichen Dank jedenfalls an euch beide, dass ihr euren kostbaren gemeinsamen Tag mit mir verbringt und mir helft, mich wieder wie eine Frau zu fühlen“, fügte sie leise hinzu.
Gerade dachte sie, dass sie sich so ausgestattet vielleicht sogar stark genug fühlen würde, ihrer ehemaligen Klinik einen Besuch abzustatten, da wurde ihr bereits die Speisekarte gebracht.
Hatte sie da noch eine Rechnung offen, fragte sie sich, während sie sich nicht entscheiden konnte zwischen der Pizza salmone e spinacci oder der käselosen kräftigen Napoli? Nein, eigentlich nicht. Ihre Tätigkeit in der Klinik kam ihr vor wie ein vergangenes Leben. Jetzt musste sie sehen, dass sie ihr jetziges Leben auf die Reihe brachte. Und dazu brauchte sie Kraft. Also Pizza spinacci, da konnte Popeye zeigen, was er draufhatte.
Kapitel 23
Gott sei Dank. Gestern hatte er eine Nachricht von Paula auf seinem Anrufbeantworter vorgefunden. Sie bat ihn, ihre Ziegen zu füttern, und kündigte an, sie werde Samstag wieder zurückkommen. Ihm war ein Stein vom Herzen gefallen. Ja, fast ein ganzes Gebirge. Das Leben ging weiter und alles würde gut werden.
Ralf zog energisch die Bettwäsche ab. Er hatte die Fenster im ganzen Haus aufgerissen und ließ die spätsommerliche Luft hinein. Er dachte zurück an sein klärendes Gespräch mit Elli gestern. Es hatte ihn völlig überrascht, dass sie nicht geweint oder getobt hatte, als er sagte, dass er sie nicht so lieben würde, wie sie es verdient hätte und deswegen lieber ihre Beziehung beenden wollte. Er hatte wirklich versucht, sich in sie zu verlieben, aber es hatte eben nicht geklappt. Und das Gespräch mit Sven hatte ihm die Augen geöffnet, dass es noch mehr Baustellen in seinem Leben gab, die er angehen sollte.
Sicher, Elli war nett gewesen, sie hatte ihn gewärmt und mit ihrem unstillbaren Hunger
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