Paula geht
werfen. So eine Gelegenheit gab es nicht noch einmal.
Als sie sich wenige Minuten später möglichst unauffällig unters Volk zu mischen versuchte, und zum Buffet drängte, trat Sven zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern. „Wow, was ist denn hier passiert? Wo ist unsere Paula geblieben?“
„Ja schau nur hin, sie steht vor dir. Keine Sorge, alles beim Alten, nur ein bisschen aufgehübscht.“
„Ich bin beeindruckt“, raunte er und küsste sie nun schon zum zweiten Mal an diesem Abend.
Daran könnte ich mich glatt gewöhnen, seufzte Paula im Stillen. Und als sie sich endlich zum Buffet schob, spürte sie seinen Blick im Nacken, so dass es zwischen ihren Schulterblättern warm kribbelte. Sie fühlte sich, als wäre sie ein Jahr weg gewesen.
Mit einem vollgehäuften Teller mit Cevapcici, Tortellinisalat, gefüllten Tomaten und einem undefinierbaren Dip bahnte sie sich den Weg durch die Menge zurück in die Küche, um sich erst mal zu setzen. Am Küchentisch saß Ralf, der sich angeregt mit Annemarie unterhielt. „Lass es dir schmecken.“ Mit einem vergnügten Funkeln in den Augen prostete er ihr zu.
„Stellt euch vor, ich hab zwar einen Bärenhunger, aber vor lauter Aufregung bekomme ich gar nichts runter.“
„Ach, das wird schon noch“, sagte Annemarie, „wir haben Zeit.“
Paula überlegte, welcher Wochentag heute war und kam auf Samstag. Na, dann war ja alles in Ordnung, beste Partyzeit. Apropos Zeit. Wo war denn Bene? Ob seine Eltern, pardon, sein Vater wusste, wo er sich herumtrieb? Als er mit der kleinen Marie, die Peter mitgebracht hatte, wieder einmal vorbeiflitzte, hielt sie ihn am T-Shirt fest. „He, Bene, weiß dein Vater, wo du bist?“
Er nickte unschuldig. „Keine Sorge, der bringt mich nachher nach Hause. Heute muss ich nicht mit dem Fahrrad fahren.“
„Dann stellst du ihn mir aber endlich vor, ja?“
Bene nickte schüchtern und plötzlich stand Sven neben ihm. Paula hatte sich gerade ihrem Teller zugewandt. Das roch alles so köstlich. Sie schob eine Tortellini in den Mund. Dann ließ sie ihren Blick von ihrem kleinen zu ihrem großen Freund gleiten und ihr blieb der Bissen im Hals stecken. Sie räusperte sich und trotzdem klang ihre Stimme wie eine verrostete Tür, als sie fragte: „Bene, sag jetzt nicht, dass der Kerl neben dir dein Vater ist.“
Bene nickte so heftig, dass ihm seine strohigen Locken ins Gesicht fielen. Annemarie und Ralf warfen sich einen Blick zu und zogen sich dezent aus der Küche zurück.
Aber na klar, sie schlug sich innerlich an die Stirn, jetzt machte Svens Verhalten endlich Sinn. Dass er abends immer nach Hause musste und erst später zu ihr kam, selten direkt nach der Arbeit. Wie hatte sie nur so blind sein können.
Aber warum um Himmels Willen hatte er ihr nichts davon erzählt? Hatte er so wenig Vertrauen zu ihr? „Und wann bitte schön wolltest du mir erzählen, dass du einen Sohn hast?“ Es kam schneidender, als sie es beabsichtigt hatte.
„Jetzt, dachte ich, wäre der richtige Zeitpunkt.“
Ja klar, blöde Frage. Eigentlich wollte sie fragen, warum er es ihr nicht schon viel früher erzählt hatte. Zum Beispiel im letzten Jahr irgendwann. Sie war so sauer über diesen Vertrauensbruch, dass ihre Stimmung in den Keller rutschte, und das kam jetzt bestimmt auch deutlich rüber. „Bene, kannst du uns bitte kurz allein lassen.“
Bene schaute fragend zu Sven.
„Geh schon, ich hol dich dann.“ Sven schob ihn Richtung Flur.
Paula holte tief Luft, konnte aber nicht verhindern, dass sie am ganzen Körper zitterte. „Versteh mich nicht falsch. Ich hab doch gar nichts dagegen, dass du einen Sohn hast.“ Das klang jetzt auch bescheuert. „Ich freue mich sogar, ich mag Kinder und Bene ganz besonders“, schob sie leise hinterher.
Tja, die zwei Männer, die ihr in letzter Zeit am nächsten gestanden hatten, waren Vater und Sohn. Eigentlich nicht schlecht. Aber sie war sauer. Um genau zu sein, mehr als sauer. Und sie konnte nicht anders und musste Sven anschreien: „Aber was glaubt ihr eigentlich, wer ich bin? Warum habt ihr mir das nicht gesagt? Bene hat mir die wildesten Geschichten von seiner Mutter erzählt, aber nie, dass du sein Vater bist. Ich fühl mich schlichtweg verarscht!“
Sven zwängte seinen langen Körper auf den anderen Küchenstuhl und versuchte ihre Hand zu nehmen. Paula zog sie ruckartig weg. „Nein, fass mich jetzt nicht an. Ich hoffe nur, du hast eine gute Erklärung!“
Sven wirkte abgrundtief traurig und
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