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Paula geht

Paula geht

Titel: Paula geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
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nicht gewundert, wenn ein Einhorn vorbeigetrabt wäre oder ein kleiner Zwerg ihnen gar den Zutritt verwehrt hätte.
    Einige Minuten später schob Sven ein paar Zweige zur Seite und Paula stand vor einer Holzleiter, wie sie auf Jägerstände hinaufführte. Diese schien recht neu zu sein.
    „Bitte, nach dir.“
    Gut, dass sie die Sneakers angezogen hatte, so kletterte sie trittsicher die Sprossen hoch. Oben stieß ihr Kopf an eine Luke.
    „Drück sie einfach nach oben.“
    Sie klappte leicht zur Seite und Paula konnte sich durchschieben. „Viel dicker darf ich aber hier nicht werden, was?“, versuchte sie ihre Unsicherheit zu überspielen. Dann sagte sie nichts mehr, sondern sah sich staunend um. In etwa fünf Metern Höhe gab es hier ein voll ausgestattetes Häuschen mit einer Schlafkoje, einem kleinen Tisch, zwei Hockern. Ja sogar ein Flickenteppich lag auf dem Boden.
    „Wow, ist das schön“, staunte Paula. Dann sah sie einige leere Chips- und Süßigkeitentüten, ein paar Zeitschriften und einige alte Comics. „Das ist ja toller als bei den Drei Fragezeichen.“
    Sven setzte sich auf die Pritsche und klopfte neben sich auf die dünne Matratze. „Komm, Paula, setz dich. Ich dachte, hier drin wäre es vielleicht leichter, dir alles zu erzählen. Das war unser erstes gemeinsames Projekt, als Bene gerade einmal zweieinhalb und seine Mutter weggegangen war. Inzwischen ist er seltener hier, weil er jetzt gerne nachmittags zu dir geht.“ Er versuchte den Ansatz eines Lächelns.
    „Bitte“, sagte Paula mit so trockenem Mund, dass die Worte ganz staubig waren, „ich will jetzt alles wissen.“
    Sven nickte. „Amélie war siebzehn, ich war dreiundzwanzig, als wir uns kennenlernten. Ich lag mal wieder unter meinem alten Auto und habe versucht, ein Bodenblech zu schweißen. Sie stand frech vor meinen Füßen und aus dieser Perspektive hatte sie natürlich Beine bis in den Himmel. Damals war so etwas wichtig, heute weiß ich‘s besser.“ Er lächelte wehmütig. „Sie war wild, sie war frühreif und ich habe mich Hals über Kopf in sie verliebt. Sie zeigte mir die Welt. Bisher war ich nie weit über Penzlin und Neubrandenburg hinausgekommen, weißt du. Ich arbeitete wie ein Verrückter als Freier an großen Projekten in einer Möbelschreinerei. Zwischendrin trampten wir in der Weltgeschichte herum. Für mich war das eine Offenbarung. Amélie lernte überall sofort Leute kennen, so dass wir immer bei irgendjemandem auf dem Sofa geschlafen haben. Meine ganze Familie war entsetzt, was ich für ein unstetes Leben führte.“ Er ruckte ein wenig ungemütlich auf der Kante des Bettes.
    „Tja, dann wurde ich unzuverlässig und verlor meinen Job. Wir wohnten damals in Neubrandenburg, das war wenigstens nicht ganz so dörflich. Amélie wollte immer mehr und immer schneller leben. Schließlich nahm sie Drogen, erst wenige, sozusagen als Genussmittel, dann ging es nicht mehr ohne. – Und sie wurde schwanger. Aber sie wollte das Kind nicht. Ich habe sie inständig angefleht, das Kind zu bekommen. Sie hat es getan. Sie hat sogar versucht, ihren Drogenkonsum in der Zeit zurückzuschrauben. Ich hoffte, es würde alles noch gut werden. Ich wollte sie retten und dachte an ein normales Leben, du weißt schon, Vater, Mutter, Kind, Eigenheim und so.“
    Jetzt liefen ihm die Tränen über das Gesicht. „Ich habe alles versucht. Sie auf Händen getragen, ihr gedroht, fast hätte ich sie sogar geschlagen. Aber sie war wie ein gefangener Vogel, sie wollte das Kind nach der Geburt gar nicht sehen. Meist war Bene bei meiner Mutter, während ich arbeitete. Hier hatte niemand mitbekommen, dass Bene mein Sohn war. Auch Amélie hatte sich im Dorf kaum wieder blicken lassen, nachdem sie Hals über Kopf mit siebzehn von zuhause abgehauen war. Offiziell wohnte Amélie noch bei Bene, meiner Mutter und mir in Neubrandenburg, aber sie hatte ihren alten Lebensstil aufgenommen und war viel unterwegs. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Es gab einen Riesenkrach und dann war sie ganz weg. Sie hatte noch alle Wertsachen und das letzte Geld mitgenommen und seitdem haben wir nie wieder etwas von ihr gehört. Ich weiß nicht, ob sie noch lebt.“
    Er ließ den Kopf hängen. Paula liefen nun ebenfalls Tränen über die Wangen, vorsichtig streichelte sie sein Knie. Ihr Zorn war schlagartig verraucht.
    „Leider ist das noch nicht alles.“
    Paula nickte stumm.
    „Ich begann zu trinken, denn immer, wenn ich Bene sah, der doch so ein süßer Kerl war und

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