Paula geht
annehmen. Ralf wird seine Gründe haben.“
„Ja, das weiß ich doch. Er ist immer noch in mich verliebt, aber gerade deswegen kann ich das nicht von ihm annehmen, verstehst du?“
Sven nickte bedächtig und sah sie an. Seine Augen waren schon wieder ganz dunkel, da wusste Paula, dass er etwas Wichtiges sagen wollte.
„Und du willst ihn wirklich nicht? Bist du dir da absolut sicher? Ihr würdet schon ganz gut zusammenpassen.“
Paula sah ihn an und ihr klopfte das Herz bis zum Hals. „Nein, ich will ihn nicht. Ich würde mich freuen, wenn wir Freunde sein könnten, aber dazu ist es vielleicht noch zu früh.“
Sven sah sie immer noch an, so dass sie ganz verlegen wurde.
„Und wen willst du dann?“
Jetzt fühlte sich Paula so wie vor einem Bungee-Jumping. Natürlich würde sie im echten Leben niemals mit dem Kopf voraus eine Brücke oder einen Kran hinunterspringen, Seil hin oder her. Aber das hier war wirklich ähnlich.
Und schlagartig drängten alle Gefühle der vergangenen Wochen und Monate an die Oberfläche. „Dich will ich“, sagte sie leise und traute sich nicht, ihm in die Augen zu schauen.
„Auch wenn ich dich verletzt habe und falsche Geheimnisse vor dir hatte?“
Jetzt ließ sie ganz langsam ihre Augen nach oben wandern. Vom Kragen seines alten Flanellhemds, der schon ganz weiß abgeschabt war, dadurch aber umso weicher wirkte, über den großen Adamsapfel, den obligatorischen Dreitagebart, seinen sinnlichen und ausdrucksstarken Mund, der sich in alle Himmelsrichtungen verziehen konnte, bis zu seinen Augen, die sie von Anfang an so faszinierend gefunden hatte, weil seine Seele direkt dorthin die Wetternachrichten sendete. Gerade schien das Barometer auf sonnig zu stehen, denn sie leuchteten in den wärmsten Goldtönen.
Und er rutschte so nah an sie heran, dass sein Kopf nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. „Und ich will dich, Paula Sommer. Und ich will, dass du nie wieder abhaust, ohne mir vorher Bescheid zu sagen.“
Jetzt konnte sie sehen, wie sich eine kleine Träne aus seinem Augenwinkel löste, und plötzlich bekam sie ein richtig schlechtes Gewissen, als sie sich überlegte, wie das auf Sven gewirkt haben musste, als sie plötzlich weg war.
Sie nickte schuldbewusst und merkte, wie auch ihr die Tränen kamen. Doch da lagen schon seine Lippen auf ihren und sie fühlte, wie sie endlich sprang und fiel – und auf einmal fliegen konnte. Er küsste wunderbar, weich und fest und fordernd zugleich, so dass es gut war, dass sie schon saß, weil ihre Knie ganz schwach wurden. Doch er zog sie hoch und sie klammerten sich aneinander und seine Hände vergruben sich in ihren Haaren und sie musste sich ein wenig auf die Zehenspitzen stellen und Paula wünschte sich, dass dieser Moment ewig dauern sollte. Denn alles gab jetzt einen Sinn, sie selbst, der See, der Himmel über ihr, ihre Reise und das Leben.
Fühlte sich das so an, wenn man liebte? Dann war es tatsächlich für sie das erste Mal. Aber darüber würde sie jetzt nicht nachdenken, sonst verpasste sie ja alles, was Sven hier gerade mit ihr anstellte.
Dann rannten sie zu Paula nach Hause. Die Last der vergangenen Ereignisse war wie weggeblasen, jetzt war nur eine vibrierende Energie zu spüren, als sie sich gegenseitig auszogen. Nicht hastig, sondern so, als hätten sie alle Zeit der Welt. Sven begann, ihren Körper zu erforschen. Paula musste lachen, als er mit der Nase in ihrer Achselhöhle schnupperte, an ihren Ohrläppchen knabberte und sie spielerisch in den Hals biss. Sie schaute ihm zu, wie er seine schlanken, aber kräftigen Hände wandern ließ und zwischendrin kam sie sich vor, als wäre ihr Körper sein Werkstück, mit dem er sich vertraut machte, dessen Maserung er nachstrich, um herauszufinden, wie er sich ihm am besten nähern sollte.
Sie schob den Gedanken weg, ob er dieses Werkstück zu alt, zu unförmig, zu schwabbelig finden würde. Seine Hände vermittelten ihr das Gefühl, alles sitze genau am richtigen Platz und müsse nur entdeckt werden, bis sich alles zu einem Gesamtbild fügen könne. So konnte sie sich immer mehr entspannen und wandte sich ihm zu.
Gefühlte Stunden später kuschelte sich Paula in Svens Armbeuge und zog die Decke über ihre verschwitzten Körper. Sie kicherte „Oha also“.
Sven schaute sie träge an. „Was sagst du?“
„Du hast ‚oha‘ gesagt, als du gekommen bist.“
„Quatsch, kann nicht sein.“
„Tja, das werden wir dann wohl nochmal überprüfen müssen,
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