Paula Kussmaul laesst nicht locker
ruhig war, schlief Paula wieder ein und träumte eine Menge unsinniges Zeug. Bis sie plötzlich erneut ganz wach war und auf die Toilette musste. Auf dem Rückweg in ihr Zimmer lauschte sie kurz an der Wohnzimmertür. Doch es war nichts zu hören.
Sollte sie Enno fragen, ob er auch mal austreten musste? Aber dann weckte sie ihn vielleicht auf und er konnte nicht wieder einschlafen. Nein! Lieber nicht.
Sie huschte in ihr Bett zurück und dachte an Ennos Eltern. Wie froh und erleichtert sie gewesen waren, als sie von Ennos Kurzbesuch in ihrer Wohnung berichteten! Weil sie nun endlich wussten, dass Enno nichts passiert war und er gar nicht weit fort von ihnen sein konnte. Inzwischen jedoch waren sie bestimmt schon wieder sehr besorgt und konnten auch nicht schlafen.
Ob das richtig war, dass Enno sie bestrafen wollte?
Nein! Ganz sicher nicht. Aber warum half sie ihm dann dabei?
Weil er sonst vielleicht ganz und gar fortgelaufen wäre. Er hatte sie erpresst. Und jetzt konnte er ihr doch wenigstens nicht mehr entwischen.
Paula sagte sich das, um sich damit vor sich selbst zu verteidigen. Denn wenn sie wollte, konnte sie ja immer noch aufstehen, Fühmanns anrufen oder zu ihnen hochgehen und ihnen sagen, wo sie Enno abholen könnten. Aber was wäre das für ein Verrat!
Oder sollte sie Fühmanns anrufen und ihnen nur sagen, sie bräuchten sich keine Sorgen zu machen, Enno sei in Sicherheit?
Aber dann würden Ennos Eltern sofort wissen, wer da bei ihnen anrief, und gleich zu ihr kommen. Selbst wenn sie mit verstellter Stimme sprechen würde – Fühmanns waren ja nicht aus Dummsdorf.
Über diese Gedanken schlief Paula wieder ein und diesmal schlief sie lange und tief. Und als sie das nächste Mal erwachte, war es draußen bereits hell. Erschrocken sah sie zur Uhr hin.
Schon halb sieben! Um diese Zeit war Katja längst in der Küche, um die Schulbrote zu schmieren, und Jenny war im Bad. Wie leicht konnte es da passieren, dass eine der beiden ins Wohnzimmer wollte oder sie erwischte, gerade wenn sie Enno unter ihr Bett zurückschleuste.
Sie hob den Kopf und sah zu Linus hin. Der Bruder schlief noch. Da stand Paula leise auf, schlich sich in den Flur und lauschte.
In der Küche dudelte Morgenmusik und auch im Bad spielte das Radio. Jetzt half nur noch beten, dass keine der Schwestern in der nächsten Minute den Flur betrat. Ganz vorsichtig drehte Paula den Schlüssel in der Wohnzimmertür herum, noch sachter drückte sie die Klinke herunter. Hoffentlich war Enno schon wach und stand bereits vor der Tür. Und hoffentlich, hoffentlich machte er leise! Was sollte sie Katja und Jenny denn sagen, falls sie ihn entdeckten? Die Schwestern wussten doch, dass Fühmanns Enno suchten, hatten selbst mit- gesucht. Sicher würden sie sofort die Mutter wecken und ihr alles verraten.
Aber leider, Enno stand nicht neben der Tür, um sogleich hinter Paula her in ihr Zimmer und unter ihr Bett huschen zu können. Die Beine vor die Brust gezogen und die Arme um die Beine, lag er auf der Couch und schlief. Wie ein etwas zu groß geratenes Kätzchen. Vielleicht hatte er nicht einmal gemerkt, dass sie ihn eingeschlossen hatte. Er war so müde gewesen, wahrscheinlich hatte er in der Nacht zuvor überhaupt nicht richtig geschlafen.
Behutsam stieß Paula Enno an. Er sollte nicht gleich wieder einen Schreck bekommen.
Er rührte sich nicht.
»Enno!«, flüsterte sie da wie in höchster Not. »Du musst hier weg.« Und wieder stieß sie ihn an. Diesmal schon etwas heftiger.
Endlich öffnete er die Augen und starrte sie verständnislos an.
Wäre Paula nicht so aufgeregt gewesen, hätte sie über sein dummes Gesicht lachen müssen. »Du bist nicht bei dir zu Hause«, flüsterte sie. »Du bist bei uns – und musst dich wieder verstecken!«
Er hatte verstanden. Ruckartig richtete er sich auf – und machte auf einmal ein Gesicht, als hätte er am liebsten geweint. »Ich muss auf die Toilette.«
»Das geht jetzt nicht! Du musst dich beeilen«, drängte Paula. »Schnell! Bevor sie dich entdecken.« Und sie nahm Ennos Hand und zog ihn hinter sich her in ihr Zimmer. Dort angekommen traf es sie wie ein Schlag direkt in den Bauch: Linus! Er saß in seinem Bett und starrte sie und Enno mit großen Augen an.
Lange, ewig lange wusste Paula nicht, was sie sagen sollte. Dann bat sie voller Verzweiflung: »Halt den Mund, Linnie! Bitte halt den Mund!« Und schloss erst einmal die Tür hinter sich.
Und weil auch Enno nicht wusste, was er tun oder sagen
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