Pausenbrot und Pradatasche: Roman (German Edition)
ihn jeden Nachmittag frisch.«
Jack im Restaurant Weinkrampf erlitten, als ihm klar wurde, dass Fischstäbchen, Marke Captain Iglo, nicht auf der Karte standen, sodass er wie alle anderen frischen Fisch essen musste.
» Ich liebe frischen Fisch«, verkündete Katie herablassend, lächelte den Kellner kokett an und klimperte mit den Wimpern. » Davon wird man groß und stark, richtig?«
Hatte gerade geschafft, Jack zu überzeugen, dass Seebarsch nicht » igitt« ist, als Joe plötzlich zu husten begann.
» Sicher eine Gräte«, meinte Dad und leckte sich genüsslich die Finger ab. » Da muss man sich erst dran gewöhnen.«
Plötzlich traten Joe die Augen aus den Höhlen. Gleich erkannt, dass er keine Luft mehr bekam. Allerdings vor Schreck erstarrt, anstatt aufzuspringen und ihn zu retten wie eine heldenhafte Assistenzärztin in Emergency Room. Konnte mich nicht von der Stelle rühren.
Mum stieß einen Schrei aus, worauf Antonio, der Wirt, uns zur Hilfe eilte. Er umfasste Joes Bauch und drückte fest zu, bis ein kleines Stück einer Gräte aus seinem Mund schoss, über den Tisch flog und mich im Auge traf.
Joe keuchte, während Dad ihm kräftig auf den Rücken klopfte. Antonio reckte die Brust und schien sehr mit sich zufrieden.
» Mein Gott, Joe«, sagte Dad. » Wir dachten, du spielst nur Theater. Ein Glück, dass Antonio wusste, was zu tun war, sonst würdest du jetzt nicht mehr unter den Lebenden weilen.«
PS: Fühle mich ziemlich traumatisiert. Werde vielleicht nie wieder Seebarsch essen können. Befürchte außerdem, Katie und Jack könnten psychischen Schaden erleiden, weil sich das Bild, wie Antonio ihren Vater, dem die Augen aus dem Kopf quellen, mit voller Kraft drückt, für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt hat. Sie machen einen ungewöhnlich stillen Eindruck.
PPS: Mrs H. wird außer sich sein, wenn sie davon erfährt. Sie fiebert nämlich nach einer Gelegenheit, lebensrettende Maßnahmen zu ergreifen. Das wäre die Chance ihres Lebens gewesen.
PPPS: Die Nahtoderfahrung scheint Joe stark mitgenommen zu haben. Habe allerdings den leichten Verdacht, dass er die Erschütterung nur vortäuscht, um sich vor der Kinderbetreuung zu drücken.
6. November
Joe steigert sich in die Nachwehen seiner Nahtoderfahrung hinein. Den ganzen Tag murmelte er vor sich hin, er müsse » neue Prioritäten setzen« und » im Hier und Jetzt leben«. » Wenn man dem Tod so knapp von der Schippe gesprungen ist, fängt man an, über sein Leben nachzudenken«, sagte er bedeutungsvoll zu mir, während er das dritte Croissant in sich hineinstopfte.
» Ich bin nicht sicher, ob du dem Tod wirklich knapp von der Schippe gesprungen bist«, wandte ich ein. Dabei überlegt, wie ich mir ein Teilchen schnappen könnte, ohne dass er es bemerke. Mich außerdem gefragt, ob ich ihm vorschlagen soll, auch über seinen Cholesterinkonsum nachzudenken, wenn er schon einmal dabei ist, Bilanz zu ziehen.
Er warf mir einen gequälten Blick zu. » Oh, doch, das bin ich, Susie. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn Antonio mich nicht gerettet hätte. Ich habe wirklich geglaubt, das war’s.«
» Ja, aber jetzt ist alles wieder in Ordnung«, erwiderte ich so aufmunternd ich konnte. Das Bedürfnis unterdrückt, höhnisch zu fragen, ob er auf der anderen Seite ein weißes Licht gesehen hat.
» Schon, doch das Leben ist kurz, verstehst du?«, fuhr er fort und sah mich eindringlich– und ein wenig wahnwitzig– an. » Es kann einem von einer Minute auf die andere entrissen werden. Deshalb müssen wir jeden Moment nutzen.«
Mit diesen Worten knabberte er weiter an seinem Croissant und machte ein wehmütiges Gesicht.
PS: Hoffe, dass Joe nicht vorhat, Guru zu werden. Bin nicht sicher, ob er dafür die nötige Ausstrahlung hat. Allerdings könnte er viel Geld verdienen, wenn er über sein Jenseitserlebnis im Fernsehen spricht.
PPS: Habe mich nach Mitternacht in die Küche geschlichen, um ein übrig gebliebenes Croissant zu suchen. Bin jedoch nur auf eine Spur Krümel auf dem Fliesenboden gestoßen. Joes Egoismus als Nachwirkung seiner Nahtoderfahrung zerrt allmählich an meinen Nerven.
7. November
Unsere bevorstehende Abreise scheint Mum und Dad nicht sehr zu bedrücken. Außerdem weigern sie sich, sich festzulegen, wann sie uns das nächste Mal besuchen kommen. Oder– um genau zu sein– wann wir sie das nächste Mal besuchen können.
» Hängt davon ab«, wich Mum mir aus, als ich ein festes Datum für die Reise nach Dublin von ihr hören
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