Paxson, Diana L.
glühten die Unterseiten der Wolken im Nachglanz des Sonnenuntergangs noch blutrot.
Geh in das Dunkel, alter Mann, leg Sorg und Leid ins Grab,
Wenn Frühlingssäfte sprießen, hebt sich erneut dein Stab.
Donner krachte über uns. Wir drängten uns hastig ins Haus, während bereits die ersten Tropfen auf uns einpeitschten.
Wir loben gern vereint den Herrn, verborgen hier im Korn,
Er wird gemäht und neu gesät, daß neu wir seien gebor'n.
Der Regen trommelte nun auf das Strohdach und prasselte gegen die Wände. Im Innern pulsierte die Luft von den Geräuschen und Gerüchen einer begeisterten Menge, denn der Regen hatte uns gezwungen, die vier Riesentische mit den Bänken, die eigentlich auf dem Hof hätten stehen sollen, ins Haus zu zwängen.
Die geschmückte Garbe hing an einem Ehrenplatz an der Wand, doch die Blumen begannen bereits zu welken. Das Herdfeuer hatte den ganzen Tag gebrannt, und trotz der feuchten Böen, die immer wieder durch die offene Tür fegten, war es so heiß wie das köstliche Festessen.
Esseilte hatte sich an Drustans Seite gesetzt und überließ es mir, Senara beim Auftischen zu helfen. Gol Deis nannten sie es hier – das Erntemahl, und der Hof geizte nicht mit seiner Fülle. Platten voll Schweinefleisch, mit Rüben und Zwiebeln gesotten, wurden herumgereicht, dazu gedünstete Rollgerste. Auf den Tischen standen Körbe voll gedörrter Äpfel und Birnen sowie eine Auswahl an Käse und Brot. Die runden Mostfässer wurden hereingerollt, geleert und durch volle ersetzt. Wie alle anderen trank ich durstig von der Hitze in der Stube und dem anstrengenden Tag.
Drustan hatte seine Schwermut abgelegt und arbeitete seinen Loskaufpreis eifrig ab. Heute spielte seine Harfe nur Tanzweisen, zu denen alle klatschten, denn zum Tanzen war es viel zu eng. Von der Bettlerverkleidung blieb nicht viel, doch inzwischen hatten die Männer bereits soviel Most getrunken, daß es ihnen nicht auffiel, und selbst wenn, kümmerte es sie nicht.
Auch Keihirdyn feierte mit, und in dem Gedränge konnte ich ihm nicht immer ausweichen. Er faßte mich um die Taille, als ich gerade einen Krug Most absetzen wollte, und küßte mich herzhaft – etwas, das so gut zur allgemeinen Stimmung paßte, daß sich niemand etwas dabei dachte, bis ich ihm eine kräftige Ohrfeige versetzte, und er rückwärts in Wyn Vedras Arm taumelte.
»Hoppla, Mädchen«, sagte der Bauer und richtete Keihirdyn grinsend auf. »Ihr dürft diesen jungen Mann nicht so schlecht behandeln, schließlich hat er fleißig mit uns gearbeitet!«
Keihirdyns funkelnder Blick drohte mir mit Schlimmerem als Küssen, sobald er mich allein erwischte, doch in meiner gegenwärtigen Stimmung wünschte ich mir nur genügend Ellbogenfreiheit, um ihm die Augen auszukratzen. Er war der Demütigung entgangen, die ich für ihn geplant hatte, aber mir würde schon noch etwas einfallen, wie ich auf seinem Stolz herumtrampeln könnte! Ich drückte Wyn eine Pastete in die Hand und trat an die Tür.
»Ich dachte, Ihr mögt Keihirdyn…«, sagte eine besorgt klingende Stimme neben mir. Es war Drustan. Ich blinzelte und suchte nach Worten in meiner Mostbenommenheit.
»Der Lärm ist zu groß, als daß man mein Harfen hören könnte, und ich brauchte ein bißchen frische Luft«, fuhr er fort. »Aber ich sah, was drüben am Tisch geschehen ist. Wollt Ihr mir nicht sagen, was los ist?«
»Bildet Keihirdyn sich ein, daß die süße Zunge eines Barden mehr Erfolg hat als die grapschenden Hände eines Feiglings? Er hätte Euch nicht schicken sollen, Drustan, denn Ihr habt fast ebensoviel Schuld wie er!«
»Er hat mich nicht geschickt…« Drustan unterbrach sich stirnrunzelnd. »Branwen, was soll das heißen?«
Ich hatte nicht beabsichtigt gehabt, mit Drustan darüber zu sprechen, doch seine Besorgtheit öffnete die Schleusen und ich spuckte all das Gift aus, das sich in den letzten Tagen in mir gestaut hatte.
»Was das heißen soll? Seid Ihr so blind durch Eure eigene Leidenschaft, daß Ihr wirklich nicht sehen könnt, was um Euch herum vorgeht, oder habt ihr großen Liebhaber euch alle zusammengetan, um uns Frauen zu erniedrigen? Keihirdyn hat mir erzählt, wie Ihr ihn hierhergelockt habt, Drustan – habt ihr auf dem Schiff lachend ausgeheckt, wie ihr mich in die Falle kriegen könnt? Vielleicht hätte ich es sogar ertragen können, wenn er ein Krieger wäre, doch jetzt, da ich ihn erkannt habe, würde ich lieber mit dem Bettler an Bannhedos' Tor schlafen als mit
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