Paxson, Diana L.
erklärte er. »Der Zweikampf der Recken diente zur Entscheidung, und es war ausgemacht, daß keine Seite Rache nehmen dürfe, war es nicht so? Wenn wir das Blut seines Bezwingers vergießen, machen wir dem Namen des Morholts Schande!«
Die Königin schüttelte den Kopf und wiegte sich von Seite zu Seite. »Ihr selbst habt Schande auf ihn gehäuft, König von Erin. Ihr habt das Bollwerk Eures Reiches verloren, das Schwert Eurer Macht – versteht Ihr denn nicht? Die Welt verändert sich, und der Ruhm Erins vergeht. Unglück wird für immer Euer Begleiter sein, wenn Ihr den Morholt jetzt nicht rächt!«
Ein angstvolles Murmeln ging durch die Halle wie das Säuseln des Windes. »Heißt sie schweigen! Heißt sie still sein, ehe sie uns alle verflucht!«
Esseilte zupfte am Ärmel ihrer Mutter, und die Königin verstummte.
»Laßt die Männer von Britannien dafür bezahlen!« sagte einer der Ratgeber des Hochkönigs. »Wenn wir den Krieg nicht in ihr Land tragen dürfen, so verhängt zumindest den Bann über jeden, der irischen Boden entweiht!«
»So mag es denn sein«, sagte der König. »Tod jedem Mann von Kernow, der Erin betritt! Doch das Blut des Mannes zu fordern, der den Morholt bezwang, das kann ich nicht, Mairenn. Mein eigenes Gesetz bindet mich! Außerdem kenne ich nicht einmal seinen Namen!«
»Könnt Ihr nicht? Kennt Ihr nicht?« rief die Königin. »Nun, ich kann, und ich werde! So, wie er meinem Blut den Tod brachte, werde ich ihm den Tod bringen. Im Namen der alten Götter unseres Volkes schwöre ich es, und so soll es geschehen!«
In der einsetzenden Stille hörte ich das rauhe Krächzen eines Raben und spürte einen kalten Wind durch die Halle wehen.
Mairenns Zauberei
Nach der Wärme und flackernden Helligkeit in der überfüllten Halle Diarmaits wirkte die Kapelle sehr klein und still. Ihre Luft war schwer von einem Geruch nach Feuchtigkeit, Räucherwerk und den Kräutersalben, mit denen wir den Leichnam des Morholts einbalsamiert hatten. Die Krieger zu beiden Seiten des Eingangs salutierten, als wir die Kapelle betraten. Dann schloß die Tür sich hinter uns, und die überladene Luft hüllte uns ein.
Die Königin neigte den Kopf vor dem hölzernen Abbild Christi, das über dem Altar hing, die Arme zu einer Ewigkeit aufopfernden Segens ausgebreitet, dann trat sie zu dem verhüllten Leichnam, der auf einem Tisch vor dem Altar aufgebahrt war, und blickte auf ihn hinab.
»Was macht sie?« flüsterte ich Esseilte zu. »Ist sie hier, um für des Morholts Seele zu beten?«
»Was sollte das nützen?« entgegnete Esseilte bitter. »Er starb als Held, doch sein Blut schreit nach Vergeltung! Wenn es ihm nur gelungen wäre, seinen Gegner zumindest zu verwunden!«
Nun war ich an der Reihe zu fragen, wozu das gut sein sollte – Wunden heilten, sogar jene, die das Schwert eines Helden geschlagen hatte.
»Nicht von seiner Klinge«, antwortete sie mit einem Lächeln, das in dem unsicheren Licht noch seltsamer wirkte. »Erinnerst du dich denn nicht, was meine Mutter zu dem Morholt darüber sagte? Sie erzählte mir später noch mehr davon. Es war ein sehr praktischer Zauber, mit dem sie es bedachte – es ist wie das Schwert von Nuada, das immer tödliche Wunden schlug; denn es trägt ein Gift, das eine Verletzung auf eine Weise entzündet, die kein Heiler von Kernow lindern kann. Wenn das britische Schwein auch bloß einen Kratzer von dieser Klinge erhalten hätte, würde Fieber ihn bereits verzehren.«
Ich schluckte bei dieser Vorstellung. Zumindest war des Morholts Tod rasch und sauber gewesen.
»Wir kennen ja nicht einmal seinen Namen, Esseilte. Da ist nichts, was wir jetzt tun könnten!«
»Doch da ist etwas, das sie tun kann, Branwen!« zischte sie. »Wart ab, du wirst schon sehen…«
Ich starrte sie an. In diesem Augenblick klang Esseilte ganz wie die Königin. Dann bemerkte ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung vor dem Altar. Ich umklammerte Esseiltes Arm, als die Königin das Totenlinnen zurückschlug.
»Esseilte, nimm dein Schultertuch ab und rolle es zusammen«, flüsterte sie da heiser. Als Esseilte sich ihr mit dem Tuch näherte, löste die Königin die Binde, die des Morholts abgetrennten Kopf an seinem Rumpf hielt, wickelte ein Tuch um den Kopf und verbarg ihn unter ihrem Umhang. »Leg dein Schultertuch an die Stelle, wo sein Kopf war, und zieh das Linnen wieder darüber«, befahl sie. »Rasch! Und jetzt kommt mit!«
Die Königin sah, daß ich zögerte, und winkte mir. »In dir
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