payback: thriller (German Edition)
Kinder handeln. Ehe er die Tür wieder zuschlug, meinte er: »Wir könnten wahrscheinlich mehr Geld auftreiben. Wenn wir wollten.«
Oumou sagte: »Das ist nicht das Problem, Mace. Das Problem ist die erste Zahlung.«
3
»Fantastisch! Ich komm jeden Morgen hier rein, schau aus dem Fenster und denke: fantastisch! In all den Jahren sind mir die Twin Towers nie aufgefallen, aber jetzt, wo sie plötzlich weg sind, schaue ich raus und weiß, dass sie nicht mehr da sind.«
Francisco wandte sich um und blickte ins Zimmer.
»Was meinst du, Paulo?«
Paulo schlürfte an seinem Kaffee. »Ich find es merkwürdig.«
»Merkwürdig? Das ist nicht merkwürdig, das ist schrecklich. Was ich sagen will: Wem sind die Towers überhaupt aufgefallen, bevor sie weg waren?«
»Ja, schon verstanden.«
»Als würde man sie nur sehen, nachdem sie nicht mehr da sind.«
»Wie gesagt: merkwürdig.«
»Zwei riesige Gebäude! Und man sieht sie nicht. Die Terroristen zerstören sie, und man denkt: Mann, das sieht so traurig aus. Aber wenn man mich fragt, ob ich die Towers je bemerkt habe, kann ich nur sagen: nein, nie.«
Francisco zog an seinen Hemdmanschetten, so dass sie etwa zwei Zentimeter aus den Jackenärmeln hervorschauten. Wie er das am liebsten mochte. Oben offenes Hemd, Goldkette mit Kruzifix, das gerade noch sichtbar in seinen Brusthaaren ruhte. Lässig. Entspannt. Er warf einen Blick auf den Kerl, der seinen Kaffee trank. Sein Schwager. Ein echter Arsch. Warum sich Isabella nicht von ihm scheiden ließ, um ihn aus ihrer beider Leben verschwinden zu lassen, war ihm unbegreiflich. Also nein: warf ihn aus dem gemeinsamen Haus, hielt aber weiter an ihm fest. Vermutlich steckte mehr als nur ihre übliche Gehässigkeit dahinter. Francisco zuckte mit den Achseln und betrachtete seine Fingernägel. Die Haut war zurückgeschoben, so dass man die Halbmonde sah. Die Sache bei Salazars Zeigefinger war die gewesen, dass man ebenfalls den Halbmond erkennen konnte. Das war Francisco sofort aufgefallen, als er die wiederverschließbare Tüte betrachtet hatte. Ehe er den Finger in die Flasche zu den anderen gab. Kam nicht oft vor, dass man bei Männern im mittleren Alter den Halbmond sehen konnte. Ein Zeichen besonderer Pflege, fand Francisco.
»Paulo«, sagte Francisco, um diesen dazu zu bringen, neben ihn ans Fenster zu treten. Er kräuselte die Nase, als er den Geruch des Aftershaves wahrnahm. »Siehst du das?« Er zeigte auf Ground Zero. »Das ist wie beim Zahnarzt. Man bekommt zwei Zähne nebeneinander ausgeschlagen und hat dann eine riesige Lücke. Diese Zähne hatte man nie als einzelne betrachtet. Immer nur als Teil aller Zähne. Wenn man sie vor dem Spiegel putzt, sieht man sie im Grunde gar nicht.«
»Meinst du?«
»Ja. Erst wenn sie weg sind, wird einem klar, dass sie da gewesen sind.«
»Verstehe.«
»Was ich damit sagen will: Manchmal achten wir nicht auf die Dinge, bis es sie nicht mehr gibt.«
Francisco ging um seinen Schreibtisch, setzte sich und lehnte sich zurück. Paulo stand wie ein Schuljunge da, der von seinem Lehrer angestarrt wird.
»Wir müssen nur etwas über Zähne wissen, dann können wir es wieder richten.« Francisco zeigte auf einen Stuhl. »Setz dich.«
Paulo nahm ihm gegenüber Platz.
»Also?«, meinte Francisco und hielt dann inne. Sagte kein Wort mehr. Die Stille zog sich hin.
Paulo schluckte trocken. »Ich brauch etwa fünfzig Riesen.«
Francisco verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Hast du schon Isabella gefragt?«
»Ob das eine gute Idee wär?«
»Keine Ahnung. Wenn du kein Geld mehr hast, ist sie dein Mann. Auch deine Frau.«
Francisco lachte. Paulo zwang sich zu einem schwachen Grinsen, das sich nur mühsam über seinem Gesicht ausbreitete.
»Wofür brauchst du es?«
»Verpflichtungen.«
»Spielschulden? Oder das weiße Teufelszeug?«
Paulo nickte. Wollte nicht mal in die Nähe dieser Begriffe gebracht werden.
»Was denn nun?«
Er schnitt eine Grimasse, was Francisco als »beides« verstand.
»Was hatte ich dir gesagt, Paulo?« Francisco löste seine Finger und legte seine Hände auf den Tisch. Olivfarbene Hände. Hände wie Isabellas. Die Nägel gepflegt. »Ich hatte dir gesagt, du musst dich um diese Sachen kümmern. Wenn du eine Firma leiten und Teil der Familie sein willst, wendest du dich an die Familie. Wenn du investieren musst, wendest du dich an die Familie. An Isabella. An mich. An wen auch immer. Bei wem du dich am wohlsten fühlst. Du nennst die Summe, und wenn wir
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