Pech und Schwefel (German Edition)
ihnen Rotwein ein, setzte sich wieder und hob seinen Becher. »Auf einen Neuanfang.« Venarez prostete den Zwillingen zu und nahm einen tiefen Schluck.
Nomarac machte es ihm nach und schubste Ronor an, der eher widerwillig seinen Becher in die Hand nahm.
»Das klingt gut … auf einen Neuanfang«, wiederholte Nomarac und trank.
Ronor schien zu zögern, trank schließlich einen kleinen Schluck.
Zufrieden tauschten Nomarac und Venarez einen Blick aus.
Ronor lauschte interessiert, aber in seinem Inneren fühlte sich alles taub an. Ständig sah er Charans wutverzerrte Miene vor sich. Obwohl seine Wunden nicht mehr zu sehen waren, glaubte er sie immer noch zu spüren. Jeden einzelnen Schnitt, jeden Peitschenhieb, jeden Fußtritt und jeden Faustschlag. Es war, als wäre er in einem nie enden wollenden Albtraum gefangen. Doch zugleich wusste er, dass ihm hier nichts passieren würde. Neugierig musterte er Venarez und letztendlich war es das goldene Symbol des gehörnten Drachens auf dessen Brust, das ihm das Gefühl von Sicherheit gab. Und schließlich blickte er direkt in die goldenen Augen des Priesters. Es kam ihm vor, als bestünden sie aus flüssigem Gold, die ihn mit jedem weiteren Atemzug gefangen nahmen. Fasziniert stellte Ronor plötzlich fest, wie ein wärmendes Feuer in seinem Herzen aufloderte, ihm die Angst aus den Gliedern trieb und auch die schrecklichen Bilder ein wenig in den Hintergrund drängte. Es war eine einmalige Erfahrung für ihn und löste Ronor aus seiner innerlichen Starre.
»Ronor … mein Name lautet Ronor«, flüstere er ganz leise und für die anderen unverhofft.
Venarez lächelte. »Ich freue mich wirklich sehr, dich kennenzulernen.«
Als Antwort brachte Ronor den Hauch eines zarten Lächelns zustande. Neben ihm grinste sein Bruder und schlug ihm schließlich sanft auf die Schulter.
Danach aßen sie ihre Teller leer. Venarez schenkte noch einmal Wein nach und sah dann zwischen den Brüdern hin und her.
»Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht«, sagte er. »Wie würde es euch gefallen, für längere Zeit bei mir zu wohnen und unter meiner Obhut etwas Anständiges zu lernen?«
»Was?«, kam es Nomarac über die Lippen. »Ist das dein Ernst?«
»Das ist es.« Venarez nickte und wirkte auf einmal sehr väterlich. »Nun habe ich euch schon vor der Stadtwache als meine Neffen betitelt, da dachte ich mir, warum sollte ich euch nicht wirklich als eine Art Neffen bei mir aufnehmen. Ich kann euch vieles lehren und wir könnten alle voneinander lernen.«
Nomarac war plötzlich wahnsinnig aufgeregt und sprang auf. Er warf sich voller Freude Ronor um den Hals, ließ wieder von ihm ab und tigerte daraufhin wie ein strahlender kleiner Junge durch die Küche.
»Ist … ist das … wirklich wahr?«, fragte Ronor und konnte dieses Angebot kaum fassen.
»Mein Wort ist bindend. Und mit der Zeit wird es auch dir wieder besser gehen, Ronor.« Venarez griff über den Tisch nach der Hand des jungen Raukarii, der sie zuerst zurückziehen wollte, es aber dann doch zuließ. Er drückte sie freundschaftlich. »Dein Bruder und ich können nur erahnen, was du durchgemacht hast. Aber du kannst dir sicher sein, hier ein zu Hause gefunden zu haben. Weit weg von allen Raukarii, die dir … oder besser euch … etwas Böses wollen. Es gibt ein altes Sprichwort. Es lautet … Die Zeit heilt alle Wunden . Diese Worte sind wahr, denn auch ich habe schon einiges durchgemacht und weiß, was es heißt.«
»Ronor, du musst ja sagen«, forderte sein Bruder ihn auf, der immer noch aufregt durch die Küche lief. »Venarez kennt alle alten Legenden, wie unser Vater. Er ist Priester. Und mir kann er das Kämpfen beibringen, so richtig mit dem Schwert. Ich habe ihn kämpfen gesehen, es war unbeschreiblich.«
»Vielen Dank für dein Lob.« Venarez grinste. »Aber Nomarac hat recht, Ronor. Er hat mir erzählt, dass du schon immer gerne Priester des Zevenaar werden wolltest. Wenn das wirklich dein Wunsch ist, dann werde ich dir dabei helfen. Und dir Nomarac«, er sah über seine Schulter, »dir bringe ich den Umgang mit Waffen bei. Aber nicht nur das. Es gibt so viel, was ihr lernen solltet.«
Ronor spürte auf einmal sein Herz schneller schlagen. Er war von seinem Albtraum geradewegs ins Paradies gestolpert und konnte das Glück kaum fassen.
Kapitel Dreizehn
Aller Anfang ist schwer
Kurz vor Sonnenaufgang wurden die Zwillinge von Venarez geweckt. Noch leicht verschlafen saßen sie wenig später am Tisch. Es
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