Pech und Schwefel (German Edition)
sich.
Zum Abschied wechselten Kommandant Malor und Venarez noch ein paar Worte. Dann ging auch schon ihre Reise los. Aufgeregt ritt Nomarac an Venarez’ Seite, blickte immer wieder zu seinem schlafenden Bruder hinüber, und konnte das Glück kaum fassen. Er hatte Ronor wieder, er lebte und nun war endlich der Zeitpunkt gekommen, dass sie die Stadt hinter sich ließen.
Nach zwanzig Minuten erreichten sie schließlich den westlichen Stadtrand. Dort führte eine eindrucksvolle Brücke aus weißem Marmor über den Fluss Levenoar. Sie war schon alt, älter als die Stadt selbst, aber die Jahrtausende hatten ihr keinen Schaden zugefügt. Das Bauwerk wirkte immer noch weiß und stabil, wie an den Tagen, als sie erbaut worden war. Schon einmal waren die Zwillinge hier gewesen, damals war es Nacht gewesen, doch im Sonnenlicht war sie ein noch faszinierender Anblick. Auf beiden Seiten ragte eine vier Meter hohe Statur aus weißem Marmor in die Höhe. Eine davon stellte eine Frau, die andere einen Mann dar. Sie hielten jeweils ein Schwert in der Hand, waren zueinander gewendet und ließen die Spitzen ihrer Waffen sich berühren, sodass sich ein natürlicher Bogen bildete.
»Dort vorne ist die Stadtmauer«, sagte Venarez und deutete über der Brücke zu einem Punkt, den Nomarac schon mehrmals gesehen hatte.
Es war das westliche Stadttor. Die Straße würde sie auf direktem Weg in den Levenarawald führte. Bisher hatte Nomarac sein Leben innerhalb der Stadt verbracht, nun würde er zum ersten Mal seine Heimat hinter sich lassen. Aufgeregt holte er einmal tief Luft und ließ sie langsam entweichen. Für einen Moment wünschte er sich, Ronor wäre wach und würde diesen außergewöhnlichen Augenblick miterleben.
Venarez trieb den rotbraunen Hengst wieder an. Nomarac überquerte heute mit einem mulmigen Gefühl die Brücke der Einheit. Heute ritt er gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder in eine neue, ungewisse Zukunft, und sie würden ihre Vergangenheit zurücklassen. Schon lange hatten sie davon geträumt, aber nie geglaubt, dass es eines Tages doch noch Wirklichkeit werden würde.
Kurz, nachdem sie die Stadtmauer hinter sich hatten, wurde Nomarac erneut überrascht. Denn Venarez befahl ihn an der Hand zu fassen, rezitierte einen Zauberspruch und teleportierte sie binnen Sekunden fast fünfzig Kilometer weit fort.
Verblüfft sah sich der junge Raukarii um. Sie befanden sich auf einer Lichtung. Ringsherum wuchsen hohe, schattige Bäume, und das flimmernde Sonnenlicht fiel sanft durch die dichten Baumkronen auf saftig grünes Gras. Aber all das verblasste bei dem Turm, der sich in der Mitte der Lichtung befand. Er ragte mindestens fünfundzwanzig Meter in die Höhe und wurde förmlich von den umherstehenden Bäumen in Schutz genommen. Efeu wucherte um das runde, gräuliche Mauerwerk und dazwischen lugten viele kleine und große Fenster hindurch.
Nomarac stieg vom Pferderücken und half dann Venarez beim Absteigen. Zusammen liefen sie zu einer Kirschholztür, die ins Innere des Turmes führte. Sie passierten den Eingang und dann standen sie in einem großen Raum. Von draußen hatte alles viel kleiner gewirkt. An den nackten Wänden brannten in regelmäßigen Abständen Fackeln, deren Ursprung magisch war, wie Venarez erklärte. Sie brannten, ohne jemals auszugehen. Und er erzählte ihm auch, dass selbst der Turm von Magie durchflutet war. Nomarac konnte es auf seiner Haut spüren. Sie kribbelte leicht. Aber genau jene Magie gab ihm gleichzeitig das Gefühl von Sicherheit.
»Hier ist alles anders, als es von draußen den Anschein erweckt«, sprach Venarez. »Daran werdet ihr euch gewöhnen. Es hat große Vorteile in diesem Turm zu wohnen. Aber jetzt bringe ich dich und deinen Bruder erst einmal nach oben. Ihr müsst beide wieder zu Kräften kommen.«
Er führte sie zu einer Wendeltreppe, die sich im Bauch des Turms nach oben schlängelte. Während sie die Stufen erklommen, kamen sie an mehreren geschlossen Türen vorbei, bis sie vor einer dieser Türen stehen blieben.
»Das ist euer Zimmer.« Venarez drückte die Klinke nach unten und betrat als Erster den Raum. Es handelte sich um ein gemütliches Zimmer, es war nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. An der Wand standen zwei Betten mit weißen Laken, in denen zwei Raukarii nebeneinander schlafen konnten. Es gab einen Schrank, eine Kommode, einen Tisch und zwei Stühle.
»Ich hoffe, es gefällt euch. Ich habe nicht oft Besuch.« Venarez legte Ronor auf eines der
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