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Pechvogel: Roman (German Edition)

Pechvogel: Roman (German Edition)

Titel: Pechvogel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. G. Browne
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werden scheinen. Ich gehe die Stockton Street hoch und sehe Gesichter und Blumen, Wolken und Bäume – alles kristallklar und in HD-Digital-Qualität.
    Und das sind nur drei meiner Sinne.
    Ich nehme einen Schluck Cappuccino, und während Geschmack und Wärme mich durchströmen, füllen sich mein Mund und mein Magen mit kolumbianischen Kaffeefeldern. Eine Blondine im Sommerkleidchen geht an mir vorbei, hinterlässt mir den Geruch ihres Shampoos, und ich kann sie in der Dusche stehen sehen, das Haar nass, die Haut eingeseift, Schaum und Wasser laufen über ihre entblößten Schultern und Brüste.
    Jetzt können Sie vielleicht besser verstehen, warum es leicht ist, von der Glückswilderei abhängig zu werden.
    Beim Stehlen von kleinerem Glück ist das Erleben nicht ganz so intensiv, aber es ist immer noch besser als Sex. Bei Großem Glück ist es fast wie eine außerkörperliche Erfahrung. Wie bei Pilzen, LSD oder Meskalin.
    Ralph erblickte das Licht der Welt offensichtlich mit Mittlerem Glück von guter Qualität. Natürlich weiß ich nicht, was er beruflich macht, ob er emotionale Probleme hat oder von irgendetwas abhängig ist, aber ich sollte sein Glück für zehn bis fünfzehn große Scheine verkaufen können. Wenn ich einen Käufer finden kann, heißt das. Denn Käufer scheinen derzeit hierzulande in etwa so häufig zu sein wie All-you-can-eat-Restaurants in Äthiopien.
    Wenigstens sind meine Kopfschmerzen weg. Immerhin.
    Und ich habe etwas Mittleres Glück im Körper, was dazu führt, dass all die Entscheidungen, die vor mir liegen, mich weniger bedrücken können. Ich fühle mich leichter. Entspannter. In der Lage, alle Herausforderungen zu meistern, die da kommen mögen. Sogar die Versuchung, Reines Glück zu stehlen, hat mich jetzt nicht mehr so sehr im Griff.
    Nein, das Stehlen von Glück löst nicht alle Probleme. Aber es gibt dir das Selbstbewusstsein, dass du eine Lösung finden wirst.
    Um mich herum gehen Touristen und Manager ihrer Wege, Hausbesitzer und Obdachlose, sterbliche Männer und Frauen umgeben mich, und ich stehe zwischen ihnen und fühle mich unbesiegbar.
    Aber ich weiß, dass dieses Gefühl nicht anhalten wird. Irgendwann lässt der Rausch nach, und ich muss das Glück zum Verbrauch vorbereiten. Je eher, desto besser. Das Letzte, das ich will, ist, als Glücksjunkie zu enden – abhängig zu werden, wie in einer von Großvaters warnenden Geschichten. Außerdem: Nach den diversen Mokkas und Cappuccinos will meine Blase auch mal die Hauptrolle spielen. Also schnappe ich mir ein Taxi, fülle Ralphs Glück in eine meiner leeren Saftflaschen und platziere sie im Kühlschrank neben dem Super-Protein und den anderen Limonadeflaschen.
    Wenigstens mein Vorrat ist mir noch geblieben.
    Wenn du das Glück aus deinem Körper holst, weicht der Rausch des Glückswilderns einem Gefühl von Verlassenheit. Als würde alle Hoffnung, Selbstsicherheit und Stärke herausgesaugt und es bliebe nichts zurück als Nutzlosigkeit und Leere. Die Unannehmlichkeit eines in den eigenen Harnleiter geschobenen Katheters hinzugerechnet, kann man durchaus verstehen, warum so viele Glücksdiebe Selbstmord begehen.
    Das Glück aus dem Körper zu holen ist nicht gerade der angenehmste Teil des Lebens als Glückswilderer, aber es gehört nun mal zum Geschäft. Klar könnte ich meinen Urin auch in Einmachgläsern sammeln und die Verunreinigungen auskochen, aber derart überholte Methoden taugen nicht, um am heutigen Markt zu bestehen. Niemand will teil-uriniertes Glück kaufen. Außer in Arkansas. Da soll es angeblich eine Delikatesse sein.
    Der Obdachlose, der vor wenigen Stunden vor meinem Haus herumlungerte, ist verschwunden. An seiner Stelle steht jetzt eine Frau, die aussieht, als ob sie seit Monaten keine Seife mehr gesehen hat. Um das schlechte Karma des gestohlenen Glücks auszugleichen, gebe ich auch ihr eine Limonade und sage ihr, dass sie mit Wodka versetzt ist. Dann nehme ich mir ein Taxi zurück zum Büro. Ich will ein paar Nachforschungen über das gewilderte Glück von Gordon Knight anstellen. Vielleicht kann ich herausfinden, welcher Klient es gekauft hat, und so diesen Ball ins Rollen bringen. Dass das ein Schuss ins Blaue ist, ist mir bewusst, aber immerhin tue ich etwas und eröffne mir ein paar Chancen, und das ist besser als nichts.
    Mein Vater wäre furchtbar stolz auf mich.
    Als ich an der Ecke Sutter und Kearny Street aus dem Taxi steige, lächelt mich eine Rothaarige mit großer Oberweite an. Sie wirft

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