Pechvogel: Roman (German Edition)
kontrollieren.
Kaum eine Minute verstreicht, als jemand nach mir ruft.
»Hey, Holmes!«
Es ist Doug, der in seiner besten Gangsta-Rap-Imitation betont lässig auf mich zuschlendert, die Hose halb über dem Hintern und ein breites Grinsen im Gesicht.
»Dachte ich mir doch, dass du das bist«, meint er und schlägt seine Fingerknöchel gegen meine. »Wie läuft’s?«
»Wie Schmiere.«
»Schmiere?«, fragt Doug und schaut mich vollkommen perplex an.
»Klar, das hast du doch gehört. Das hat Groove, das hat Bedeutung.«
»Ich hab keinen Schimmer, wovon du da sprichst, Holmes.«
»Tja. Dann sind wir schon zwei.«
Auf der Market Street kommt ein Taxi mit ausgeschalteten Scheinwerfern an uns vorbei. Es ist allerdings nicht meins. Offenbar hat mein Fahrer nicht begriffen, was ich mit »Quickie« gemeint habe.
»Krasser Aufzug, Holmes«, sagt Doug und grinst wieder. »Was soll der edle Zwirn?«
»Ich habe ein heißes Date.«
Eine Straßenbahn fährt vorbei, der Verkehr fließt nach Osten und Westen, alle müssen irgendwohin, und ich sollte auch woanders sein, stehe aber immer noch hier.
Eine Krähe landet auf dem Straßenschild neben mir, und Doug pfeift.
»Was ist?«, frage ich.
»Das bringt Pech, Holmes.«
»Was?«
Er zeigt auf die Krähe. »Wenn es zwei wären, würde es Glück bringen, aber eine einzelne Krähe bedeutet Pech.«
Was für eine Überraschung.
»Drei Krähen bringen Gesundheit«, fügt er hinzu. »Vier Reichtum, fünf Krankheit und sechs den Tod.«
Na ja, wenigstens sind es nicht sechs.
»Aber vielleicht ist noch eine in der Gegend«, sagt Doug und sucht die Market Street in beiden Richtungen ab.
Mir ist es egal, wie viele Krähen hier sind. Es ist nach sechs, mein Taxi ist noch nicht wieder da, und ich sehe auch nirgendwo ein freies. Wenn ich nicht bald zum O’Reilly’s komme, sieht es schlecht aus für mein Date mit der falschen Tuesday.
»Hey, Bow Wow, hast du einen fahrbaren Untersatz?«
»Scheiße, ja! Direkt um die Ecke. Soll ich dich mitnehmen, Holmes?«
Kapitel 28
D ougs fahrbarer Untersatz entpuppt sich als zitronengelber Toyota Prius mit Heckspoiler, Leichtmetallfelgen und einem Wunschnummernschild, auf dem BOWWOW steht. Die Stereoanlage ist eine Sonderanfertigung mit acht Lautsprechern und einem Subwoofer im Kofferraum, aus der aktuell ein unidentifizierbarer Rap-Song mit reichlich Bass wummert – und mit einem Text, der einer Londoner Straßenhure die Schamesröte ins Gesicht treiben würde.
»Ich wusste gar nicht, dass man den Prius auch in dieser Farbe kriegen kann«, schreie ich über das Dröhnen hinweg.
»Sonderanfertigung, Holmes«, schreit er zurück. »Ganz schön heißer Flitzer, was? Die Jungs finden ihn alle ziemlich granate.«
Im Vermischen von Straßenslang mit überholten Vorstadt-Hipster-Ausdrücken ist Doug Weltmeister.
Wenn es nach mir geht, ist dieses Auto nicht ziemlich granate, sondern eher ein öffentliches Ärgernis. Die donnernde Anlage bringt mich dazu, mich besorgt umzuschauen, ob wir nicht von tanzenden Elefanten verfolgt werden. Zum Glück ist das O’Reilly’s nur fünf Minuten entfernt. Aber davon sind noch drei Minuten übrig, und mittlerweile versucht Doug auch noch mitzusingen. Was mir endgültig zeigt, dass ihm irgendjemand unbedingt mal die Sache mit der Coolness erklären muss.
»He, Doug.«
»Bow Wow, Holmes. Hier gibt’s keinen Doug.«
»Klar. Entschuldigung. Bow Wow«, sage ich und drehe die Lautstärke herunter, so dass aus den tanzenden Elefanten Gorillas bei einer Ballettprobe werden. »Kann ich dich mal was fragen?«
»Spuck’s aus, Holmes. Dr. Bow Wow hat Sprechstunde.«
»Klar«, entgegne ich und frage mich, wie der Doktor auf meine Analyse reagieren wird. »Hör mal. Ich weiß, es geht mich wahrscheinlich nichts an, aber warum machst du das alles?«
»Weil Bow Wow dir den Rücken freihält«, antwortet er und ballt solidarisch die Faust. Oder er hat einen Krampf in der Hand. »Du bist an einem Fall dran, und Bow Wow gibt dir Rückendeckung.«
»Ich meine nicht das Mitnehmen. Ich meine das hier«, sage ich und zeige auf den Innenraum des Autos.
Er zuckt die Schultern und lächelt. »Ich check nicht, was du meinst, Holmes.«
»Ich meine diese Person, die du erschaffen hast. Die Kleidung, die Stimme, das Auto.«
Aus meinem Mund klingt das hart, selbst für mich, aber die Sache muss mal ein Ende haben.
»Was stimmt nicht mit dem Auto?«, fragt er, und sein Lächeln wird schwächer.
»Es ist ein bisschen
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