Pechvogel: Roman (German Edition)
Francisco gekommen bin, warum ich Detektiv wurde. Ich erfinde die meisten Antworten, denn ich traue ihr nicht und habe daher auch nicht vor, ihr die Wahrheit zu verraten. Sie scheint es nicht zu merken. Sie ordert noch eine Runde Drinks und stellt weitere Fragen, die ich weiterhin freundlich beantworte, und wir beide ignorieren den großen Bären im Raum, den wir uns gegenseitig aufbinden.
Halt. Das stimmt so nicht. Im Grunde reden wir mit unserem Bären eher um etwas herum, das wir ignorieren möchten. Wir meiden also lediglich einhellig ein unangenehmes Thema. Der Bär wedelt währenddessen mit seinem Puschelschwanz, klimpert mit den Wimpern und setzt einen riesigen Haufen auf den Boden.
Oder vielleicht ignoriere auch nur ich den Bären, weil Tuesday ja gar nicht weiß, dass ich weiß, wer sie ist. Oder vielmehr, dass ich weiß, wer sie nicht ist. Nun ja. Um ehrlich zu sein, habe ich mittlerweile nicht mehr den blassesten Schimmer, was in diesem ganzen Durcheinander überhaupt noch wahr ist – abgesehen von der Tatsache, dass Tuesday nicht die ist, die sie zu sein behauptet. Aber ich weiß nicht, warum sie hier ist oder warum sie vorgibt, die Tochter des Bürgermeisters zu sein. Und da ich der Einzige von uns beiden bin, der diese Information hat, bin ich also auch der Einzige, der dieses Thema vermeidet. Was mich zu dem Schluss bringt, dass es vielleicht letzten Endes gar keinen aufgebundenen Bären gibt, der ignoriert wird.
Dämliche Redensarten.
Als mein zweites Guinness ebenso leer ist wie Tuesdays viertes Stella, ist es sieben Uhr, die Happy Hour ist vorbei, und ich bin der Lösung der drei wichtigsten Fragen keinen Deut nähergekommen: Wer ist sie? Was will sie? Und: Wie stelle ich es an, ihre Brüste in die Finger zu bekommen?
Ich kann nichts gegen diesen Gedanken tun. Es passiert automatisch, wie Atmen.
Manche Männer mögen Beine. Andere Ärsche. Manche stehen auch auf Titten und Ärsche, was ich respektiere, obwohl ich finde, dass du dich eigentlich entscheiden solltest. Du solltest dir einen Körperteil aussuchen und dich daran halten. Andererseits habe ich auch mal von Männern gehört, die auf Hälse stehen. Was mich völlig sprachlos macht.
Ich hingegen stand schon immer auf Brüste. Große Brüste. Kleine Brüste. Echte Brüste. Falsche Brüste. Brüste in jeder Größe, Form und Farbe. Sogar beim Essen schlägt meine Fixierung durch. Beim Truthahn ist mir die Brust am liebsten. Beim Hähnchen ebenso. Und bei der Ente? Dito. Schweinebrust habe ich noch nie gegessen, aber wenn ich mitbekäme, dass jemand sie anbietet, würde ich sicher ganz vorne in der Schlange stehen.
»Würden Sie sich gern an einen privateren Ort zurückziehen, damit wir über meinen Vater sprechen können?«, fragt Tuesday. »Oder würden Sie lieber hierbleiben und weiter meine Brüste anstarren?«
Ich bin sehr berechenbar. Immerhin.
»Wie wäre es mit einem privateren Ort, an dem ich weiter Ihre Brüste anstarren kann?«
»Ich bin sicher, dass der Ort keine Rolle spielt. Sie werden sowieso hinstarren, egal, wo wir sind.«
»Wie wäre es dann mit meinem Büro?«
Natürlich würde ich sie auch mit in mein Apartment nehmen, aber damit würde ich die oberste Regel des Wilderns brechen: Verrate nie jemandem, wo du lebst. Na ja, vielleicht ist das bloß meine persönliche Regel. Doch davon abgesehen glaube ich nicht, dass sie mein fünfundfünfzig Quadratmeter großes drogenverseuchtes Reich zu schätzen wüsste.
»In Ordnung«, erwidert sie, zückt ihr Handy und wählt. »Ich ruf uns ein Taxi.«
Während sie telefoniert, zahle ich die Rechnung. Als sie danach auf die Toilette verschwindet, überdenke ich meine nächsten Schritte. Ich könnte weiterhin so tun, als ob ich nicht wüsste, dass sie nur vorgibt, die Tochter des Bürgermeisters zu sein, und einfach schauen, wohin das führt. Außerdem hat sie bereits genug intus, so dass Sex meiner Einschätzung nach durchaus in Frage kommt. Meine Chancen darauf stehen besser als nur fünfzig zu fünfzig. Allerdings wäre Sex aus verschiedenen Gründen keine gute Idee.
Erstens: Ich habe keine Zeit.
Zweitens: Mir fällt kein guter zweiter Grund ein. Und über das erste Gegenargument lässt sich auch streiten.
»Ich hab dem Taxifahrer gesagt, er soll an der Ecke auf uns warten«, erklärt Tuesday, als sie zurückkommt.
»Perfekt.« Ich biete ihr meinen Arm, den sie wider Erwarten nimmt.
Wir treten aus dem O’Reilly’s und tauchen in die relative Ruhe eines frühen
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