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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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ging ihren kleinen Geschäften nach, um zu überleben. Ihre monatliche Rente in Höhe von sechzig Pesos ist für eine Frau von achtundsechzig eine Lachnummer. Glücklicherweise ist sie noch rüstig (manchmal) und kann gehen. Sie hält ihre Lebensgeister fit. Ich unterstütze sie mit ein wenig Geld, wenn ich was habe. Ich nahm mir also was zu essen und setzte mich ins Raucherzimmer. Ich besuche meine Mutter gern, wenn mir nach Nichtstun ist. Dann spaziere ich nur rum und unterhalte mich mit Freunden. »Man sieht dich ja gar nicht mehr im Fernsehen und liest auch nichts mehr in den Zeitungen von dir, was ist los?«
    »Nichts ist los.«
    Das ist es ja gerade: Nichts ist los.
    Ich hatte es mir also gemütlich gemacht bei einer Tasse Kaffee und rauchte, als Estrella hereinfegte. Diese Frau ist wie ein unheilverkündender Windstoß. Sie ist die lauteste, ungeho-beltste und vulgärste Person, die ich kenne. Nun hab ich natürlich schon einige laute, vulgäre und obszöne Weiber kennen gelernt, aber sie hatten alle ihren Stil. Und das rettete sie. Estrella hingegen ist aufdringlich, halb verrückt, halb hysterisch und eine Schlampe. Ich weiß nicht, wie sie es hinkriegt, aber sie hat nicht ein Fünkchen Geschmack. Sie ist mit einem Onkel von mir verheiratet, der auf dem Land lebt. Wie eine Orkanböe kam sie hereingewirbelt, ohne Begrüßung, ohne mich anzusehen, ließ ihre Handtasche auf den Couchtisch fallen und fragte mich, wo meine Mutter sei. »Nicht da.«
    »Immer ist sie da draußen auf der Straße. Diese Frau kann es nicht lassen. Eines Tages wird die Polizei sie noch wegen Schwarzhandel einlochen. Die macht wirklich alles zu Geld.«
    »Und was hast du Gutes zu berichten?«
    »Überhaupt nichts Gutes. Es ist alles eine Katastrophe. Glaubst du wirklich, bei all der Misere gäbe es noch etwas Gutes zu berichten?«
    »Dann schleich dich, Estrella!«
    »Oha, wenn der Herr miese Laune hat, sollte er sie gefälligst nicht an mir auslassen.«
    »Ich habe weder miese Laune noch sonst was.« Doch, ich war schlecht gelaunt. Dieses dumme Weib machte mich mit ihrem Gejammer, ihrem Gefasel und ihrem dramatischen Getue rasend. »Ich bin nur aufgebracht«, sagte Estrella. »Du bist immer aufgebracht. Schluck ein paar Pillen.« »Die Sache ist die, dass Luisito gestern seine Frau rausgeschmissen hat. Er hat sie dabei erwischt, wie sie mit einem Nachbarn rummachte, mit Roque. Kannst du dir das vorstellen? Mit einem Mann, der unser ganzes Leben unser Nachbar war? Er umschmeichelte die Kleine, versprach ihr, sie zu versorgen. Niemandem kann man mehr trauen. Dabei mochte ich sie ganz gern. Sie ist erst fünfzehn, aber sehr fleißig und hat mir viel im Haus geholfen. Sie schien so ein nettes Mädchen.«
    »Na, dann freu dich lieber. Bei mir im Viertel hat heute morgen ein Schwarzer seine Frau aus genau demselben Grund erstochen. Sie hatte sich mit jedem eingelassen, und jetzt sitzt der Kerl bereits hinter Gittern. Mindestens zwanzig Jahre werden sie ihm aufbrummen. Also freu dich, dass Luisito sie nur rausgeworfen hat.«
    »Ja? Meinst du wirklich? Na ja, stimmt schon. Sie waren erst sechs Monate zusammen, nicht länger. Aber wir hatten sie schon ins Herz geschlossen, und sie fehlt uns.« »Und wie kam's? Hat Luisito ihr nachspioniert und sie dann mit dem Typ erwischt?«
    »Ja. Luisito war ihr schon auf die Schliche gekommen und erzählte ihr, er wolle in die Stadt fahren und dann weiter an die Küste, um Krebse zu fangen, sie solle nicht vor Morgengrauen mit ihm rechnen. Aber dann kam er doch noch am selben Abend zurück und ertappte die beiden auf frischer Tat. Eine Schwester von Roque hatte ihnen ihr Haus für ihre Rammeleien zur Verfügung gestellt. Aber Luisito schlug sie nicht, sondern packte sie nur am Arm und zerrte sie nach Hause, sammelte ihre Kleider zusammen, wickelte sie in ein Handtuch, gab sie ihr und sagte: ›Verschwinde von hier!‹ Die Kleine heulte und erzählte ihm, er irre sich, nichts sei, wie er glaube. All das direkt vor meinen Augen. Ich hatte keine Ahnung, was los war, also warf ich mich gleich schreiend dazwischen. Sieh mal, mein ganzer Arm ist voller blauer Flecken. Luisito hatte mich weggestoßen, aber ich ließ mich nicht abwimmeln. Ich hatte keine Ahnung, was vorgefallen war. Nachdem er sie an die Luft gesetzt hatte, kam er wieder rein und erzählte mir alles. Er hatte sich ganz schön in der Gewalt, Pedro Juan, verlor nicht die Beherrschung, findest du nicht? Ich an seiner Stelle hätte die beiden

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