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Peinlich peinlich Prinzessin

Titel: Peinlich peinlich Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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genießen zu können?«, dröhnte Dr. G. Stöhrts Stimme durch sein Westernzimmer. »Ich könnte die Liste noch weiterführen. Muss ich?«
    Ich sah ihn stumm an und blinzelte. Nur blinzelte ich diesmal nicht aus Fassungslosigkeit, sondern um nicht in Tränen auszubrechen. Ich konnte nicht glauben, was gerade passierte. Echt nicht.
    Ich hab keine Hirnhautentzündung. Ich hab auch kein Lassa-fieber.
    Ich hab eine Depression. Eine echte Depression.
    »Na ja, es könnte schon sein«, sagte ich, nachdem ich mich geräuspert hatte, weil mir plötzlich ein dicker Kloß im Hals saß, »dass ich ein bisschen niedergeschlagen bin.«
    »Du kannst ruhig zugeben, dass du eine Depression hast. Da ist nichts dabei«, sagte Dr. G. Stöhrt mit sanfterer Stimme. »Ganz viele Menschen leiden in irgendeiner Phase ihres Lebens unter einer Depression. Das bedeutet nicht, dass man verrückt ist oder ein Versager oder ein schlechter Mensch.«
    Ich musste immer mehr Tränen wegblinzeln.
    »Okay« war alles, was ich hervorbrachte.
    Mein Vater griff nach meiner Hand. Was mir nicht so recht war, weil ich dadurch nur noch mehr weinen musste. Außerdem war meine Hand total verschwitzt.
    »Und es ist auch okay zu weinen.« Dr. G. Stöhrt reichte mir eine Schachtel mit Taschentüchern, die er in seiner Schreibtischschublade versteckt hatte.
    Wie machte dieser Cowboy das nur? Wieso konnte er meine Gedanken lesen? Hatte es was damit zu tun, dass er so viel Zeit draußen in der Natur verbrachte? Bei den Hirschen? Und den Antilopen? Wo leben Antilopen überhaupt?
    »Das ist eine ganz normale und sogar gesunde Reaktion, wenn man bedenkt, was in deinem Leben in den letzten Tagen passiert ist, Mia. Es ist normal, dass du traurig bist und mit jemandem darüber sprechen musst«, sagte Dr. G. Stöhrt.
»Deswegen haben deine Eltern dich zu mir gebracht. Aber wenn du vor dir selbst nicht zugeben kannst, dass du ein Problem hast und Hilfe brauchst, kann ich nur sehr wenig für dich tun. Also, was ist? Wieso erzählst du mir nicht einfach, worüber du traurig bist und wie du dich wirklich fühlst. Und diesmal kannst du den Jung’schen Baum der Selbstaktualisierung ruhig weglassen.«
    Und auf einmal merkte ich, dass es mir egal war, ob irgendwo im Zimmer eine Kamera versteckt war.
    Vielleicht lag es an dem Navajo-Teppich. Vielleicht auch an dem Cowboyhut an dem Haken an der Tür. Vielleicht hatte ich auch einfach erkannt, dass er recht hatte. Ich konnte mich nicht für den Rest meines Lebens in meinem Zimmer vergraben. Und bevor ich wusste, was geschah, hatte ich dem fremden, alten Cowboy alles erzählt.
    Na ja, natürlich nicht ALLES - immerhin saß Dad mit im Zimmer. (Anscheinend macht Dr. G. Stöhrt das immer so, dass er beim ersten Gespräch ein Elternteil mit einlädt. Wenn wir dann mit den richtigen Therapiesitzungen anfangen, sind wir allein.) Aber ich hab ihm das Wichtigste erzählt - das, was mir seit letztem Sonntag nicht mehr aus dem Kopf geht, seit ich nach dem Gespräch mit Michael das Telefon aufgelegt hab. Der Gedanke, der mich so fertigmacht, dass ich es seitdem nicht mehr schaffe aufzustehen.
    Es passierte, als ich das erste Mal mit Mom bei ihren Eltern in Versailles, Indiana, zu Besuch war. Mein Großvater hatte mir streng verboten, zu der stillgelegten Zisterne hinter dem Farmhaus zu gehen, die mit einem Brett abgedeckt war und bald von irgendwelchen Arbeitern mit Erde zugeschüttet werden sollte.
    Aber weil ich kurz vorher »Alice im Wunderland« gelesen hatte, fand ich alles, was auch nur im Entferntesten einem Kaninchenbau ähnelte, total faszinierend.
    Also bin ich schnurstracks zu der Zisterne, hab das Brett
weggeschoben, mich an den Rand des tiefen schwarzen Lochs gestellt und mich gefragt, ob es vielleicht ein Zugang zum Wunderland sein könnte.
    Plötzlich gab die Erde rings um das Loch nach und ich fiel hinein.
    Nur dass ich nicht im Wunderland landete. Ganz und gar nicht.
    Ich hatte mich bei dem Sturz nicht verletzt und schaffte es nach einer Weile, aus dem Loch zu klettern, indem ich mich an den Wurzeln hochzog, die am Rand der Grube wuchsen. Dann schob ich das Brett schnell wieder über die Öffnung und ging ins Haus. Zitternd, vor Dreck starrend und stinkend, aber lebendig. Ich hatte solche Angst vor meinem Großvater, dass ich niemandem erzählte, was passiert war. Und zum Glück hat es nie jemand herausgefunden.
    Aber … seit dem Gespräch mit Michael am Sonntag hab ich wieder das Gefühl, in diesem Loch zu sitzen. Es fühlt

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