Pelbar 2 Die Enden des Kreises
wahrscheinlich, das heißt, fast un-möglich ist, wird einer sterben – entweder der Shumai oder ich. Ich spüre, daß der Schnee kommt. Ich habe meine Gleiter. Bis du den Weg noch einmal zurückge-gangen bist, bin ich weit fort und gehe noch weiter. Wohin, das weiß ich nicht.
Vielleicht kehre ich, wenn ich alt bin, eines Tages nach Nordwall zurück, und vielleicht besuche ich dich und deinen nächsten Mann, falls er überlebt, deine Kinder und Enkel (die, wie ich um ihretwillen hoffe, alles Frauen sein mögen). Ich werde nie eine andere Frau haben als dich, denn, so sonderbar es auch klingen mag, ich liebe dich, aber all das lasse ich jetzt hinter mir. Das oder sterben heißt es, nicht wahr? Da ist Spek, dein Vetter zweiten Grades, der dich sicher heiraten wird, sobald die Zeit des Alleinseins vorüber ist. Ich weiß nicht, was du von Spek hältst, aber ein Spek im Bett ist immer noch besser als ein Stel im Fluß. Vielleicht mache ich mit meinen Abenteuern Jestak Konkurrenz, aber ich bezweifle es, denn ich bin eher eine Krähe als ein Adler, zu friedfertig für einen Krieger, und nie ein Vieh.
Und deshalb, Ahroe, heißt es nun Lebewohl. Irgendwann, irgendwo, wie sehr hätten wir uns lieben können.
Wieviele Lieder hätte ich dir gesungen, wieviele Kinder hätten mit uns gelacht. Aber das ist alles gescheitert.
Mein Fehler. Es macht mir gar nicht soviel aus zu sterben, aber ich will nicht völlig sinnlos sterben, nicht für deine Bande von alten Dahmenweibern und -hexen.
Mein Preis ist mehr als ein Block Eis. Möge Aven dich auf allen deinen Wegen segnen, dir Frieden und Unver-sehrtheit schenken und dir ein langes Leben und einen passenderen Gatten gewähren.
Stel
Ahroe blickte auf. Hagen war zurückgekehrt, stand da und schaute sie an. »Er glaubt, daß meine Familie ihn töten wollte. Er glaubt, daß ich davon wußte und einverstanden war.«
»Es fängt an zu schneien.«
»Wir sollten uns beeilen.«
Hagen hob die Hand. »Nein. Er ist fort. Sieh dir die Zeichen an. Auf den Schneegleitern ist er schneller als wir. Wir können uns auf reichlichen Schneefall gefaßt machen. Schau! Er hat gut gegessen, hat sich sogar Binsen ausgegraben. Er hat sich einen Bogen gemacht und Kaninchen und sogar einen Tanwolf getötet. Es fällt mir schwer, das zu glauben. Eine Flöte hat er sich auch geschnitzt. Vielleicht war er unvorsichtig und dachte, man würde ihn nicht so weit verfolgen, aber er weiß sich bestens zu helfen. Er kann jetzt gut mit den Schneegleitern umgehen und hat die ersten Rei-sebeschwerden schon hinter sich. Kurz, nachdem er uns vorbeigehen sah, ist er aufgebrochen – das sagen die Spuren.«
Ahroe stand auf. »Ich werde ihm folgen.«
»Das darfst du nicht. Da ist noch das Kind.«
»Wer will das jetzt haben?«
»Atou ... – ihr nennt ihn Aven? Außerdem ist es in dir. Es wird nicht weggehen. Wenn du ihm keine Gesundheit schenkst, wird es auch dir keine Gesundheit schenken.«
Ahroe stieß das Fischzeichen mit dem Fuß beiseite und trabte los, an Stels wegführender Spur entlang.
Jetzt schneite es, und als sie den Hügelkamm erreicht hatte und nach Westen schaute, sah sie eine graue Mauer aus Schnee, in die hinein Stels Spuren verschwanden. Hagen trat zu ihr. »Wir gehen bis zum Frühjahr zur Black Bull-Insel«, sagte er. »Ich bleibe bei dir, und wenn das Baby geboren und ein bißchen gewachsen ist, dann gehen wir nach Westen und suchen Stel.«
»Du hast selbst gesagt, daß das Land unermeßlich groß ist.«
»Aber es ist beinahe leer. Stel wird nach Menschen suchen. Ich habe mit ihm gesprochen und weiß, wie sehr er Menschen liebt. Wenn er noch am Leben ist, werden wir ihn unter Menschen finden. Er ist ein sehr geschickter Mann, und man wird ihn gerne aufnehmen.«
»Das dauert mehr als ein Jahr.«
»Was?«
»Bis wir gehen können.«
»Wahrscheinlich zwei Jahre. Altert er schnell, dieser Stel?«
»Ich ertrage es nicht.«
»Du könntest umkehren.«
Ahroe schauderte. »Nein. Ich würde immer ihre Augen auf mir spüren.«
»Wenn Stel es ertragen kann, wenn Assek es ertragen konnte, wenn ich es ertragen kann und wenn Venn es ertragen konnte, dann kannst du es auch.«
»Wer ist Venn?«
»Sie war meine Frau.«
»Was hat sie ertragen?«
»Sie hat mich ertragen. Sie hat die Tantal ertragen.
Wir ertragen alle soviel, wie wir ertragen müssen.
Wir können das Leben nicht ausziehen wie einen Mantel.«
Der Schnee erfaßte sie mit einem Flockenwirbel, die ferne Welt verschwand. Ahroe sah
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