Pelbar 6 Das Lied der Axt
verstummte und starrte ins Feuer. Schließlich sagte er: »Nun, ich lege mich hin. Alte Knochen werden steif.
Ich glaube, junge Leute bald zurück.«
Tor schaute ihn fragend an.
Tegrit lachte. »Manche Dinge sage ich nicht«, sagte er, stand auf und betrachtete seine Hände. »Du hast mich beim Werkzeugmachen festgehalten. Aber diesmal haben wir schöne Menge. Zeit, zum Sommersegeln zu gehen. Morgen erzähle ich dir davon.«
»Ich möchte dich noch etwas fragen. Es hört sich seltsam an. Hörst du, wie die Dinge singen?«
»Singen?«
»Also nicht. Na gut. Tristal hört es auch nicht. Für mich hat alles eine eigene Stimme, sein eigenes Lied.
Keinen Laut. Nur seinen Teil an einem großen Gesang, der von allem gesungen wird.«
Tegrit schaute ihn schweigend an, dann murmelte er: »Nein, das höre ich nicht. Nur Gedanken von anderen Menschen.« Er drehte sich um und ging dorthin, wo die drei Jungen schliefen. Dann zögerte er und wandte sich zurück. »Was für Lied singt Eis?«
»Ich war ihm noch nicht nahe. Bisher ist es ein Lied von Größe, Bedrohung, Herrschaft, Gefahr, Angst.
Kein gutes Lied, bis auf die Größe. Und eine gewisse Reinheit. Aber eine Reinheit, in der kein Leben ist.«
»Also kein Leben. Das ist Gesang von Priester von Eis.« Der Alte seufzte und schickte sich an, sich hin-zulegen.
Tor blieb noch lange am Feuer sitzen, schaute hinein und dachte nach. Vielleicht sollten sie sich den Seglern, wie sie sich, soweit er es verstanden hatte, nannten, nicht anschließen. Um seinetwillen hatte er keine Angst, obwohl es gefährlich werden konnte.
Aber Tristal ... Tor legte seine Handflächen gegen die Augen, wie es die Pelbar taten, wenn sie beteten, und blieb lange Zeit in dieser Stellung in Nachdenken versunken.
Endlich hörte er Tristal und Orsel kommen. Sie traten heran und setzten sich zu beiden Seiten von ihm.
Orsel nahm Tors Hand in die ihre und schaute sie an. »Hör lieber auf, Stein zu behauen. Deine Hand ist bös zerschnitten.«
»Nicht so schlimm.«
»Du hast noch Zeit. Laß sie heilen.«
»Was ist los, Onkel?« fragte Tristal.
»Los?«
»Wir haben nichts getan«, sagte Orsel. Sie lachte fröhlich, beugte sich herüber und küßte Tor auf die Wange. Tristal warf ihr einen schnellen Blick zu. Sie grinste ihn an. Tor legte den Arm um sie und drückte sie leicht an sich. Sie lachte leise.
»Ihr beide geht schlafen«, sagte Tor. »Ich muß noch über einiges nachdenken.«
»Geh du, Orsel! Ich bleibe ein wenig bei meinem Onkel sitzen.«
Orsel stand auf und schob schmollend die Unterlippe vor. »Ich halte dir einen Platz frei«, sagte sie.
»Bleib nicht so lang!«
»Schon gut.« Er schaute Tor an. »Nicht zu lang«, fügte er hinzu. »Geh nicht weg!«
Sie lachte leise und suchte ihr Schlafgewand. Die beiden Shumai beobachteten sie lächelnd. Als sie sich niederlegte, wandte sich Tristal zu Tor und flüsterte: »Nun, was ist los?«
ACHT
Sedge war ein kleines Dorf aus halb vergrabenen, mit Erde überhäuften Hütten. Von außen sah jede aus wie ein Hügel, aus dessen Mitte Rauch aufstieg. Die Behausungen waren kreisrund, und jede enthielt im Innern einen sehr großen Raum für eine Großfamilie.
An den Seiten des Raumes gab es saubere, behagliche Nischen, die man abteilen konnte, indem man schwere Häute über den Zugang hängte, aber untertags wurden sie offengelassen, außer wenn jemand ungestört sein wollte.
Tegrits Familie war nicht groß für Sedge. Zwei von Tegrits Söhnen waren umgekommen, einer auf der Jagd, der andere als Reaktion auf den Kollektivwillen der Priester.
Es war Tor und Tristal unmöglich, sich unbemerkt unter die Menge zu mischen. Zu den Seglern kamen so selten Fremde, daß die beiden ständig von einer Gruppe von Kindern umringt waren. Sie waren auch größer als fast alle Segler, und obwohl es unter denen einen nicht unbeträchtlichen Anteil hellhaariger Shumai-Typen gab, war dazwischen ein kleinerer, dunklerer Menschentypus anzutreffen. Andere schienen eine Mischung aus beiden. Die meisten Priester des Eises gehörten zur dunkleren Gruppe.
Viele Segler betrachteten die beiden Neuankömmlinge mit Argwohn. Es war gut gewesen, daß sie schwere Lasten von Tegrits behauenen Steinen schleppten, während die Jungen ihre leichten Bündel trugen.
Am Tag nach ihrer Ankunft kam ein dunkler, junger Mann in einem langen, reichverzierten Gewand zu Tegrits Haus, um Tor und Tristal zu einer Unter-redung in den Priesterrat zu bitten. Tegrit schaute nicht von
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