Pelte, Reinhard
Leuchtraketen und Tischfeuerwerk. Kam für ihn eine Flasche Penfolds, Winemaker’s Selection dazu und ein leichter Crémant zum Anstoßen auf das neue Jahr, dann war er glücklich und zufrieden.
Seine Kinder waren dieses Jahr nicht da. Also würde ein gemeinsamer Silvesterabend nicht stattfinden können. Er musste mit seiner Frau darüber sprechen. Sicher würde Svenja die Gelegenheit gerne nutzen, mit ihren Freundinnen zu feiern, falls die noch nichts anderes vorhatten. Eine der intelligenteren von ihnen hatte in Svenja bei passender Gelegenheit die Queen of Small Talk erkannt und mit sicherem Gespür für die Qualitäten ihrer Freundin allen kund und zu wissen gegeben, dass Svenja sich auf Gesellschaften so elegant und geschmeidig bewegte wie ein Fisch im Wasser.
Der große Schnee
In den Tagen vor dem Jahreswechsel war die Außentemperatur langsam zurückgegangen. Die Schwüle hatte nachgelassen und war schließlich einer nassen Kälte gewichen. Der Himmel zog sich mit dichten, schweren Wolken zu. Jung beobachtete verwundert, dass die bedrohlichen Wolken von Norden her zogen, am Boden aber noch immer ein leichter Wind aus südlicher Richtung wehte. Das war ungewöhnlich.
Als er sich am Samstag ins Auto setzte und nach Husum aufbrach, war die Temperatur weiter gefallen, und das Display im Auto zeigte nur noch zwei Grad plus und einen Schneekristall. Es hatte angefangen zu regnen. Schneeflocken mischten sich mehr und mehr unter die Regentropfen. Das Fahren war beschwerlich und unangenehm. Nachdem er das Auto in Husum auf dem Parkplatz vor Immos Hotel abgestellt hatte, war er froh, es hinter sich gebracht zu haben, obwohl sein Weg doch verhältnismäßig kurz und er nur eine gute halbe Stunde unterwegs gewesen war.
Er betrat den Windfang am Eingang zur Lobby und blieb stehen. Rechts begrüßte ihn eine Tafel als Teilnehmer am ›Schoolclass-Anniversary-Meeting‹. Links stand eine Staffelei mit Flyern des Touristenbüros Nordfriesland/Husum und anderer Veranstalter kultureller Events in der Region. Durch die Glastür sah er einen Pulk Männer, die aufeinander einredeten. Er erschrak heftig. Er erkannte sie alle sofort wieder.
Mittendrin stand Immo, mit Joachim zusammen der Größte von ihnen allen, so um die 1,90 Meter. Er stand bereits damals immer breitbeinig da und hatte laut und von häufigen Lachern unterbrochen von oben herab gesprochen. Zudem fasste er sich nach wie vor ab und zu wie beiläufig an die Nase. Joachim neben ihm, ebenso groß, gewichtig, aber ernster. Er beeindruckte mit einem großen Schädel, der gut auf seinen massigen Rumpf passte, und an dem markante, scharfe Züge, ein breiter Mund mit kräftigem Gebiss und eine imponierende Kinnpartie auffielen. Er hatte jetzt schüttere graue Haare und eine Halbglatze.
Eric war nicht viel kleiner als die beiden. Heute mit eisgrauem Vollbart, stoppelkurzem Haupthaar und fliehendem Doppelkinn, früher mit witziger, blonder Haartolle, die er stramm nach hinten gebürstet hatte. Oft war ihm eine Strähne ins Gesicht gefallen, und er war deshalb unentwegt damit beschäftigt gewesen, sie wieder in die richtige Position zu streichen. Er grinste gern. Man hatte immer das Gefühl, ganz egal wie ernst die Sache auch sein mochte, dass er alles witzig fand und jeden Moment in Kichern ausbrechen könnte. Dabei war er aller Wahrscheinlichkeit nach nur verlegen gewesen.
Einer der Kleinsten war Dennis. Er sah schon als Schüler aus wie Harry Potter mit seiner blöden Brille, und er machte jetzt wieder diese Figur, nur älter aber immer noch mit einem ähnlichen Brillengestell. Er war der Witztyp in der Klasse, unfreiwillig. Seine Diktion war einfach lustig, selbst wenn er über so angestaubte Dinge zu reden hatte wie über die Fresken des Pergamon Altars oder die Synthese von Alkohol. Sein verbaler Zugang zu allen möglichen Themen, trieb seinen Mitschülern die Tränen in die Augen. Sein Nachname war Bäng, und so war auch seine Wirkung auf seine Umgebung.
Die guten Sportler hatten nach wie vor die beste Haltung, die Streber standen noch heute geduckt und zurückgezogen in der Gegend und lauschten, was andere zu sagen hatten, und verarbeiteten erstmal alles, bevor sie zu einem überaus gewichtigen und druckreifen Statement ansetzten.
Und er selbst? Er wagte sich gar nicht auszumalen, wie er den anderen erscheinen musste. Es war zu erwarten, dass es seinen Mitschülern mit ihm genauso ging wie ihm mit ihnen. Er war peinlich berührt. Sie erinnerten ihn an die
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