Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
er sein altes Leben hinter sich
lassen und sich hier mit dir in der Eifel niederlassen wird?«, frage ich
behutsam und sehr bemüht, keine Ironie in meine Stimme zu legen. Irgendwie
greift es mir ans Herz, dass sich Gudrun, dieses ungeliebte mutterlose Kind,
schon wieder einer völlig aussichtslosen Liebesgeschichte verschreibt. Wie gern
würde ich sie vor sich selbst und diesen blödsinnigen Gefühlen retten! Nicht
etwa, weil ich sie für mein Restaurant brauche. Sondern weil wir zusammen schon
so viel durchgemacht haben und ich ihr wie einer Schwester zugetan bin.
»Warum denn nicht? Du hast hier doch auch von vorn angefangen«,
erwidert sie. »Er kann mir helfen, mein Haus zurückzukaufen, seine Kinder
können ihn besuchen, wir werden Vinzenz aufwachsen sehen …«
Ich versuche, sie zu bremsen.
»Verrenn dich da nicht in etwas, Gudrun! Dieser Mann wird seine Frau
nie verlassen …«
»Ich denke, die ist tot?«, meldet sich Cora verwundert zu Wort, was
ich nicht kommentiere, da ich mich auf Gudrun konzentriere und überlege, wie
ich sie auf den Boden der Tatsachen zurückbringen kann. Vielleicht indem ich
dem Berliner Politiker den Nimbus des Besonderen nehme und ihn auf den
Hanswurst reduziere, als den ich ihn jetzt wahrnehme.
»Ich kenne den Mann durch und durch, Gudrun. Er ist ein
pathologischer Lügner, ein perfider Trickbetrüger der besonderen Art, auch wenn
er im Grunde genommen eine ganz arme Sau ist.«
»Auch eine ganz arme Sau bleibt eine Sau«, sagt Cora trocken. Wo sie
recht hat, hat sie recht.
»Ihr habt alle keine Ahnung«, sagt Gudrun seufzend, wendet sich an
mich und streichelt mir die Hände, als wolle sie mich trösten: »Mit mir ist das
ganz anders als bei dir damals, Katja, wo er noch so abhängig von seiner Frau
war. Und du mit deiner oberflächlichen Modewelt zu beschäftigt warst, um
wirklich auf seine Bedürfnisse einzugehen. Außerdem war er ja da noch aktiver
Politiker.«
»Heute nicht mehr?«, frage ich, darüber mehr erstaunt als über die
Bemerkung seiner einstigen ehelichen Abhängigkeit. Das Zitat über meine oberflächliche Modewelt und mein mangelndes Eingehen auf
seine Bedürfnisse – so schlecht war ich bestimmt
nicht im Bett – kann ich Gudrun verzeihen, ihm aber nicht. Was fällt ihm ein,
so über mich zu reden? Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, schlage ich ihm die
Birne ein.
Gudrun schüttelt den Kopf. »Seine Partei hat doch die Wahlen zum
Bezirksamt verloren«, sagt sie, als wüsste sie, was ein Berliner Bezirksamt
sei. »Und er hat keine Lust, einen Frühstücksdirektorenposten zugeschoben zu
bekommen, sagt er. Schon deshalb will er woanders neu anfangen. Deswegen hat er
ja auch mit seiner Frau gestritten. Die wollte, dass er den Vorsitz ihrer
Stiftung übernimmt. Aber das ist ja kein richtiger Beruf, sagt er, und außerdem
würde er da noch abhängiger von ihr werden.«
Gaby von Krump-Kellenhusen hat eine eigene Stiftung? Wieso weiß ich
davon nichts? Natürlich, weil ich überhaupt nichts über die Frau gewusst habe,
die Hans-Peter vierzehn Jahre lang mit mir betrogen hat.
»Was für eine Stiftung?«, frage ich.
»Keine Ahnung, irgendwas Wohltätiges, mit Naturschutz oder seltenen
Bäumen oder so was Ähnliches. Aber eigentlich, um Steuern zu sparen. Weil seine
Frau nämlich richtig reich ist. Hans-Peter war ganz ehrlich zu mir, das musst
du mir glauben. Seine Frau kommt aus einer reichen Familie, die hat das Geld,
hat er gesagt, und damit hat sie ihn jahrelang festgehalten. Wusstest du das,
Katja?«
»Am Geld ist unsere Beziehung nicht gescheitert«, murmele ich. Natürlich
hatte ich von all dem keine Ahnung gehabt. Auch nicht, dass der arme Mann
vierzehn Jahre lang unter einer Geliebten gelitten hat, die unfähig war, auf
seine Bedürfnisse einzugehen.
»Aber wovon wollt ihr dann leben«, wirft Cora ein, »wenn seine Frau
doch das Geld hat?«
Ein fast listiges Lächeln spielt um Gudruns Mundwinkel.
»Er hat jetzt endlich genug auf die Seite schaffen können, für neu
anzufangen, hat er gesagt. Er ist endlich richtig unabhängig.«
»Ja, wenn er seine Frau umgebracht hat …« Cora schüttelt mit
gespielter Empörung den Kopf.
»So ein Quatsch!« Gudrun ist jetzt ernsthaft böse. »Die ist doch nur
abgehauen, um ihn zu ärgern. Er hat seine Politikerpension und sich außerdem
ein hübsches Sümmchen zurückgelegt, sagt er.«
»Klar doch, Schwarzgeld«, bemerkt Cora fröhlich. »Vielleicht
Bestechungsgelder, kennt man doch. Deshalb ist er hier. Um
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