Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
lese ich vergnüglich die Aufschrift auf der blauen Dose
vor. Der Mann sieht nicht so aus, als schmecke ihm das, was er sich gerade
zuführt.
»Wo?«, bringt er hustend hervor, bevor er mit einem weiteren
kräftigen Zug noch einen Anfall provoziert.
»Vielleicht sollten Sie das Rauchen fremden Tabaks aufgeben?«,
schlage ich vor und setze hinzu: »In Euskirchen. Da müssen Sie dann hier rechts
fahren …«
Er blickt über meinen Kopf hinweg nach Belgien und scheint mir
überhaupt nicht zuzuhören. Hinter seiner Stirn arbeitet es. Rauchende Kollegen
haben mir versichert, die ersten Züge einer Zigarette seien besonders
kreativitätsfördernd, und Marcel behauptet, Zigarillos würden ihm helfen,
knifflige Aufgaben zu lösen. Vor so einer stehe ich jetzt auch. Eigentlich
möchte ich diese ziemlich zwielichtige Figur so schnell wie möglich loswerden,
andererseits plagt mich die Neugierde. Wieso hat Hans-Peter nichts von einem
Freund erzählt, der mit ihm in den Urlaub gefahren ist? Und wieso weiß dieser
Mann dann nichts von der seit zwei Tagen verschwundenen Gattin? Wer ist der
Typ? Und was will er wirklich? Wieder siegt die Neugier.
»Sie können gern in meinem Restaurant auf Herrn Kellenhusen warten«,
schlage ich vor. »Wir haben soeben erfahren, dass ihn die Polizei in ein paar
Stunden zurückbringen wird, Herr …«
»Danke«, sagt er kurz, ohne seinen Namen zu nennen. »Ich fahre
lieber gleich nach Euskirchen.«
Mit der Pfeife im Mundwinkel setzt er sich ans Steuer und startet
den Wagen.
»Nach rechts!«, schreie ich ihm noch hinterher, aber er ist bereits
nach links Richtung Prüm abgedüst.
Leider hat er die Tabakdose nicht mitgenommen. Ich lasse sie auf dem
Autodach liegen und versorge endlich meine Rosen. Ich hoffe, sie werden es mir
im Frühling danken. Dann lege ich die Zeitung in den Mirabelleneimer und kehre
zu Gudrun und dem Baby ins Haus zurück.
Zwei Stunden später
»Wenn ich dir doch sage, dass ich den Mann nicht kenne!«
Hans-Peter sitzt wieder qualmend in meiner Küche und besteht darauf, mit keinem
Pfeife rauchenden nichtssagend aussehenden großen, schlanken Typen befreundet
zu sein.
»Vielleicht ein Überraschungsbesuch von einem alten Schulfreund?«,
fragt Gudrun, der das neue Mysterium um ihren neuen Zukunftsgestalter überhaupt
nicht behagt. Wie überall anders schätzt man auch in der Eifel geordnete Verhältnisse.
»Niemand außer meiner Familie weiß, dass wir hier sind«, murmelt
Hans-Peter und setzt fast unhörbar hinzu, dass er keine Freunde habe.
»Vielleicht sucht man dich?«, frage ich und freue mich an der
plötzlichen Blässe, die sich in seinem Gesicht auszubreiten beginnt. »Hast du
vielleicht politischen Dreck am Berliner Stadtratsstecken? Gibt es da
irgendeinen Klärungsbedarf?«
Wie sehr ich mir doch wünsche, dass er mal so richtig auf die
Schnauze fällt, dieser Herumlavierer und Märchenerzähler. Dessen Bedürfnissen ich nicht gerecht geworden war.
Gudrun wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Er ist doch nicht
mehr …«
»… Politiker«, beende ich nickend den Satz. »Jammerschade, dass sich
dein großer Traum vom Senator nun doch nicht erfüllt hat! Da ist sicher der
böse Koalitionspartner dran schuld, nicht wahr? In welchem Bereich hast du denn
zuletzt gestadtratet?«
»Weißt du doch, Baudezernat«, knurrt er.
»Oh«, sage ich, »das lädt zur Korruption doch geradezu ein. Vor
allem in Berlin, wenn ich mich recht entsinne. Hat die neue Bezirksregierung da
etwa alte Ungereimtheiten aufgedeckt?«
»Es ist bestimmt was Gutes«, sagt Gudrun abwehrend. Meine
Aggressivität gefällt ihr überhaupt nicht. Wahrscheinlich tut es ihr jetzt
leid, dass sie so viel ausgeplaudert hat. Nicht mein Problem. Ich bin ja nur
eine alternde dicke Exmodejournalistin, die endlich ihr Restaurant eröffnen
möchte und überhaupt keine Lust mehr hat, auch nur irgendeinen Mann zu
beglücken. Vielleicht sieht die Freiheit ja genau so aus. Wenn man bedenkt, wie
viel Energie durch überflüssige Liebesgeschichten verloren geht, Energie, die
man für erfreulichere und weiterführende Angelegenheiten einsetzen könnte!
»Vielleicht ist ein alter Erbonkel von dir gestorben. Einer, den du
gar nicht kennst«, setzt Gudrun hastig hinzu, als ihr aufgeht, dass Sterben
normalerweise nichts Gutes ist. »Und du bist sein einziger Erbe. Da holt man
sich schon mal einen Privatdetektiv, für dich aufzuspüren. Der darf anderen
dann gar nicht sagen, wer er ist. So was gibt
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