Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
die Kohle in einem
Steuerparadies zu bunkern. Luxemburg ist doch umma Ecke.«
»Wie man in Berlin sagt«, bemerke ich und mustere sie nachdenklich.
»Kommst du auch daher?«
»Ich habe da nur eine Zeit lang gewohnt«, erwidert sie, »und das war
schon eine viel zu lange Zeit lang. Die Eifel ist der Seele weitaus
förderlicher; das wirst du sicher auch gemerkt haben.«
»Aber Hans-Peter kennst du nicht zufällig?«
»Habt ihr ein Foto?«, fragt sie. »Um das ehrlich zu beantworten,
müsste ich mir den Knaben nämlich erst mal ansehen. Aber dafür habe ich jetzt
keine Zeit. Ich wollte nur kurz vorbeischauen, um dich zu uns einzuladen,
Katja.«
Sie steht auf und reckt sich.
»Was du gestern Abend schon getan hast«, gebe ich zurück. »Und als
ich die Einladung annehme, wird mir das Schlossfenster vor der Nase
zugeschlagen.«
»Welches Schlossfenster?«, fragt Gudrun.
»Das wird nie wieder geschehen«, verspricht Cora, »willst du es von
mir schriftlich haben?«
Ich begleite sie zur Tür – nicht ohne Hans-Peters Tabakdose von der
Anrichte zu nehmen. Wenn er zurückkommt, soll er mir meine saubere Küche nicht
gleich wieder einräuchern. Wir treten gerade rechtzeitig raus, um die Post in
Empfang zu nehmen. Die heute nur aus der Tageszeitung besteht. Dafür, dass ich
die Zeitung erst nachmittags bekomme, muss ich sogar extra Postgebühren
bezahlen. Für die paar Menschen auf der Kehr lohnt sich das Austragen
offensichtlich nicht. Schon auf der Titelseite des »Trierischen Volksfreunds«
springt mir Gaby von Krump-Kellenhusens schönes Konterfei entgegen. Ich halte
Cora das Blatt hin.
»Da ist sie ja, Hans-Peters verschwundene Gemahlin«, sage ich und
deute auf das kleine Bild der kastanienbraungelockten Societydame mit den
dunkel umrandeten Augen und dem herzig geschminkten Kussmündchen unter der
Stupsnase.
»Sieht ziemlich schickimicki aus, die Dame«, bemerkt Cora abfällig
und rümpft das Näschen mit dem kleinen schwarzen Punkt. »Und gegen diese
Glamourlady tauscht er deine Gudrun ein?«
»Er hat eben einen abwegigen Geschmack«, sage ich achselzuckend.
»Immerhin hat er diese Frau«, ich tippe wieder auf das Bild, »vierzehn Jahre
lang mit mir betrogen. Würde man auch nicht so schnell drauf kommen. Soll ich
dich heimfahren?«, frage ich. Nachdem ich mehr über sie weiß, kann ich der
Igelfrau nicht mehr wirklich böse sein.
Sie deutet auf ein rotes Rennrad an der Hauswand.
»Habe mein Fitnessstudio bei mir, bis morgen bei uns also, Katja.«
»Mal sehen«, sage ich ausweichend.
Ich schaue ihr nach, wie sie in rasantem Tempo die Bundesstraße
entlangstrampelt. Seltsamerweise Richtung Losheim. Eigentlich hätte sie links
abbiegen müssen, aber vielleicht führt ja auch rechts irgendein mir unbekannter
Feldweg nach Krewinkel.
Dann öffne ich die Wagentür, werfe Zeitung und Tabakdose auf
Hans-Peters getrockneten Autositz und wende mich den Kletterrosen an der
Hauswand zu. Die brauchen nicht nur Pferdeäpfel. Ich muss sie dringend mit
Mulch vor dem herannahenden Winter schützen.
Mit welcher Wucht Eis und Schnee auf der Schneifel plötzlich
hereinbrechen können, habe ich vor genau einem Jahr erlebt, als ich an einem
Morgen Mitte Oktober in einer weißen Landschaft aufwachte. Da Hein und Jupp
nach einem Rockkonzert in Köln übernachteten und der Pflegedienst für Mutter
Agnes erst mittags kommen sollte, hatte ich ihnen versprochen, frühmorgens nach
Losheim zu fahren, die alte Dame zu versorgen und den Kachelofen, der das ganze
Haus beheizt, anzuschmeißen. Aber wie sollte ich mit meinem noch
sommerbereiften Auto über die spiegelglatte Straße dorthin kommen? Von
öffentlichem Nahverkehr und Taxis kann man auf der Kehr nur träumen. Nach ein
paar Versuchen, den Wagen zu bewegen, gab ich auf. Ich kann mich noch gut daran
erinnern, dass meine Zähne mindestens so heftig knirschten wie der Schnee,
durch den ich vier Kilometer lang stapfte.
Erstaunlicherweise war Mutter Agnes ansprechbar, als ich kam. Sie
bat mich, ihr beim Aufsitzen zu helfen. Sie hielt mich immer noch für die Freundin
ihres Sohnes, und keiner von uns sah die Notwendigkeit ein, die kranke alte
Frau über die tatsächlichen Verhältnisse aufzuklären.
»Wie schön, dass es Euch heute so gut geht«, begrüßte ich sie in der
Höflichkeitsform, die mich Jupp gelehrt hatte. »Entschuldigt bitte, dass ich so
spät komme, aber ich musste laufen, weil es gefroren und geschneit hat. Mitte
Oktober! Das gibt es doch gar nicht.«
Ein
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