Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
bleiben! Die kennt den doch gar nicht!«
»Sie ist nicht in einen möglichen Mordfall verwickelt, Gudrun, und
wir beide gelten wohl irgendwie als verdächtig. Du solltest jetzt endlich
aufhören, über das Kind zu jammern, sonst wird dir gleich noch ein Mordmotiv
angehängt.«
Ich sorge dafür, dass Gudrun eine Schlaftablette nimmt, stecke sie
wie ein kleines Kind in das Bett, in dem sie Hans-Peter die allerletzte
Liebesnacht seines Lebens beschert hat, und bleibe still bei ihr sitzen, bis
sie eingeschlafen ist. Linus lasse ich in ihrem Zimmer, damit sie beim
Aufwachen wenigstens ein Lebewesen zu versorgen hat.
Der Hund wird sie auf jeden Fall daran hindern, auf dumme Gedanken zu kommen.
Gudrun ist normalerweise eine starke, tüchtige und nüchterne Frau, aber eine,
bei der die Wechseljahre nicht fern sind. Auf was für dumme pubertierende Gedanken
man da kommen kann, wenn plötzlich eine Liebe im Spiel ist, habe ich oft genug
beobachtet und am eigenen Leib erlebt.
Als sie fest eingeschlafen ist, stiefele ich hinüber nach Belgien
und öffne die Tür des immer noch dringend renovierungsbedürftigen Hauses, das
ich vor einem Jahr zusammen mit Linus geerbt habe. Ohne den Hund finde ich die
Stille plötzlich unerträglich. Ich schimpfe zwar immer noch über die
Slalomläufe am wuchtigen belgischen Mobiliar vorbei, aber ich habe mich
inzwischen an die zugestellten Räume gewöhnt. Irgendwann werde ich alles
ausmisten, renovieren und bei einer gänzlich neuen Einrichtung jede
Stilrichtung außer Eiche rustikal erwägen. Wenn es hier endlich wieder ruhiger
geworden ist und mein Restaurant läuft. Also im nächsten Frühjahr. Der
Illusion, die Einkehr rechtzeitig vor Weihnachten
eröffnen zu können, gebe ich mich nicht mehr hin.
Ich schalte den Fernseher ein und nach fünf Minuten wieder aus, als
ich merke, dass kein Wort aus der Kiste zu mir durchdringt.
Jetzt könnte ich mich ja mal endlich mit dem Computer befassen, den
Hein in meinem Wohnzimmer aufgestellt und eingerichtet hat. Schon vor Monaten
hat er mich aufgefordert, mich mit ein paar einfachen Programmen vertraut zu machen, die für meinen künftigen Aufgabenbereich unerlässlich
seien. Kenntnisse von Microsoft Word reichten dafür nicht aus. Lustlos rufe ich
die Seiten auf, mache sie aber sofort wieder zu, als ich lange Tabellen sehe.
Man könnte ja ein bisschen googeln. Etwas über Gaby von
Krump-Kellenhusen und ihre Stiftung herausfinden zum Beispiel. Wieso sollte die
was mit Bäumen zu tun haben, wenn ihr Herz an Mopsfledermäusen hängt? Und am
Himalaja. Hohe Gipfel. Matterhorn! Ach, Hans-Peter, solchen Schrei wirst du nie
wieder ausstoßen.
»Stiftung zum Schutz bedrohter Arten«, lese ich und sehe daneben das
mir bereits vertraute Foto der kastanienbraunen Schönheit. Wenn ich heranzoome,
kann ich der Frau in unwirklich leuchtend grüne Augen blicken. Wahrscheinlich
gefärbte Kontaktlinsen, denke ich; an dieser Frau ist alles künstlich! Da
braucht sie wohl so eine Stiftung als Gegengewicht. Wenn man sich mit der
eigenen Natur schon nicht eins fühlt, kann man wenigstens den bedrohten Arten
zur Seite stehen, vor allem so hässlichen wie Mopsfledermäusen. Daneben sieht
man selbst gleich noch schöner aus. Aber dann fällt mir ein, dass diese Dame
überhaupt noch nichts von ihrem Los als Witwe weiß; also zensiere ich alle
weiterführenden Gedanken der gehässigen Richtung und klicke die Homepage der
Stiftung weg.
Unter Holger Eichhorn finde ich mehr als fünfzehnhundert Einträge,
aber keinen, der sich auf den Mann beziehen könnte, den ich heute gesehen habe.
Der Name Marcel Langer kommt erheblich häufiger vor, wie ich nebenbei feststelle.
Mein Blick fällt auf die verkrumpelte Visitenkarte, die er mir bei unserer
ersten Begegnung ausgehändigt hat und die ich schon damals an die Wand gepinnt
habe. Zum ersten Mal sehe ich sie genauer an. Keine Privatadresse.
Nun ja, die kann man im Netz bestimmt auch herausfinden. Schau her,
da ist sie ja. Polizisten in Sankt Vith haben offenbar keine Angst vor
Nachstellungen.
Wie er wohl wohnt? Anderthalb Jahre lang hat mich das wenig
interessiert, da er ja regelmäßig in meinem Umfeld auftauchte und ich nie die Notwendigkeit
gesehen hatte, ihn im wahren Sinn des Wortes heimzusuchen. Das ist heute Abend
anders. Plötzlich interessiert mich brennend, womit sich Marcel in seinen
eigenen vier Wänden umgeben hat. Aber will man das nicht immer von seinen
Freunden wissen? Ich weiß doch auch, wie Jupp und Hein
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