Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
Aber gleichzeitig dachte Margo, daß Menschen, gerade weil sie die brutalen Gesetze der Natur herausgefunden hatten, vielleicht einige davon überwinden könnten.
Sie wechselte das Thema. »Dann arbeitet der Extrapolator also mit Pflanzen- DNS genauso wie mit Tier- DNS ?«
»Ganz genauso«, erwiderte Kawakita in einem nun wieder geschäftsmäßigeren Ton. »Man läßt den DNS -Sequenzierer die Daten von zwei Pflanzen analysieren und füttert sie dann in den Extrapolator. Der sagt Ihnen, wie eng diese Pflanzen miteinander verwandt sind, und beschreibt die errechnete Zwischenform. Aber seien Sie nicht überrascht, wenn das Programm Fragen stellt oder Kommentare abgibt. Ich habe bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz hier und da ein paar Auflockerungen eingebaut.«
»Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Margo. »Danke. Sie haben wirklich phantastische Arbeit geleistet.«
Kawakita beugte sich zwinkernd zu Margo hinüber. »Dafür schulden Sie mir jetzt was, Kindchen.«
»Jederzeit«, sagte Margo.
Kindchen. Ihm was schulden.
Sie mochte Leute nicht, die so redeten. Und wenn Kawakita etwas sagte, dann meinte er es auch.
Er streckte sich und nieste noch einmal. »Ich gehe jetzt. Muß noch rasch etwas essen, bevor ich nach Hause gehe und meinen Smoking für die Party heute abend hole. Ich frage mich ernsthaft, warum ich heute überhaupt ins Museum gekommen bin – alle anderen sind daheim geblieben, um sich auf die Eröffnung vorzubereiten. Sehen Sie sich bloß mal dieses Labor an. Es ist buchstäblich verlassen.«
»Smoking, was?« sagte Margo. »Ich habe mein Kleid schon heute früh mitgenommen. Es ist ganz nett, aber kein Modellkleid oder so was.«
Kawakita beugte sich wieder zu ihr. »Kleider machen Leute, Margo. Wenn die Leute, die was zu sagen haben, einen Burschen im T-Shirt sehen, dann mag der noch so begabt sein, aber sie können ihn sich einfach nicht
bildlich
als Museumsdirektor vorstellen.«
»Und Sie wollen Direktor werden?«
»Natürlich«, antwortete Kawakita erstaunt. »Sie etwa nicht?«
»Was ist daran falsch, wenn man einfach nur eine gute Wissenschaftlerin sein will?«
»Das kann doch jeder. Ich jedenfalls würde gerne eines Tages eine wichtigere Rolle spielen. Als Direktor kann man der Wissenschaft einen viel größeren Dienst erweisen als irgendein Forscher in einem miefigen kleinen Labor wie diesem hier. Heutzutage genügt es nicht mehr, lediglich ein brillanter Wissenschaftler zu sein.« Er klopfte ihr auf die Schulter. »Viel Spaß noch. Aber machen Sie mir bloß nichts kaputt.«
Kawakita ging, und ins Labor zog Stille ein.
Margo blieb eine Weile bewegungslos sitzen. Dann öffnete sie den Ordner mit den Pflanzen der Kiribitu. Dabei mußte sie ständig daran denken, daß es eigentlich viel wichtigere Dinge zu tun gab. Als sie früher am Nachmittag nach etlichen vergeblichen Versuchen endlich Frock telefonisch erreicht und ihm vom Inhalt der Kiste berichtet hatte, war dieser sehr still geworden. Es war so, als wäre ihm plötzlich die Luft ausgegangen. Er hatte richtiggehend deprimiert geklungen, und Margo hatte ihm daraufhin nichts mehr von dem Fund des Tagebuchs erzählt, das sich ja schließlich auch nicht als sehr ergiebig herausgestellt hatte.
Sie sah auf ihre Uhr. Es war schon nach eins. Die Sequenzierung der Pflanzen- DNS würde einige Zeit in Anspruch nehmen, und erst wenn der Computer damit fertig war, konnte sie Kawakitas Extrapolator benützen. Frock hatte sie bereits darauf hingewiesen, daß dies die erste systematische Untersuchung eines von einem primitiven Stamm aufgestellten Pflanzenklassifizierungssystems war. Mit diesem Programm konnte sie möglicherweise beweisen, daß die Kiribitu mit ihrer außergewöhnlichen Kenntnis verschiedener Pflanzen diese tatsächlich biologisch richtig klassifiziert hatten. Das Programm würde ihr hypothetische Zwischenpflanzen errechnen, deren wirkliche Pendants dann vielleicht tatsächlich im Gebiet der Kiribitu im Regenwald zu finden waren. Das hatte Frock zumindest im Sinn.
Um die DNS einer einzelnen Pflanze sequenzieren zu können, mußte sie ein kleines Stück davon entfernen. Nach einem ausführlichen elektronischen Nachrichtenaustausch hatte sie heute vormittag schließlich die Erlaubnis erhalten, jeder Pflanze ein Zehntel Gramm zu entnehmen. Das war genug.
Margo sah die empfindlichen gepreßten Pflanzen an, die ein wenig nach Gewürzen und Heu rochen. Manche von ihnen hatten eine stark halluzinogene Wirkung
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