Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
irgendwelche Pläne zu diesen Stollen?« fragte Pendergast nach einer Weile.
»Pläne?« fragte Diamond und rollte mit den Augen. »Danach habe ich zwanzig Jahre lang gesucht. Es gibt keine Pläne. Alles, was ich über die Tunnels weiß, habe ich von alten Kollegen erfahren.«
»Waren Sie jemals selbst dort unten?« fragte Pendergast.
Diamond zuckte merklich zusammen. Erst nach einem Augenblick nickte er zögerlich.
»Würden Sie mir eine Lageskizze zeichnen?«
Diamond schwieg.
»Jede Kleinigkeit, an die Sie sich erinnern können, wäre mir eine große Hilfe«, sagte Pendergast und hielt dem Ingenieur einen Hundertdollarschein unter die Nase.
Diamond starrte auf die Banknote, als müsse er sich das Angebot gut überlegen. Schließlich nahm er den Schein und ließ ihn zusammengefaltet in der Brusttasche seines Overalls verschwinden. Dann beugte er sich über den Tisch und fing an, etwas auf ein Stück Papier zu kritzeln. Nach und nach entstand die Skizze eines weitverzweigten Tunnelsystems.
»Besser geht's nicht«, erklärte er, als er nach ein paar Minuten fertig war. »Ich habe Ihnen auch den Eingang eingezeichnet, durch den ich damals hineingekommen bin. Südlich des Parks hat man viele Tunnels mit Beton ausgegossen, und im Norden sind sie vor Jahren eingestürzt. Sie müssen sich deshalb bis zum Flaschenhals durchschlagen. Nehmen Sie den Zubringertunnel Nummer achtzehn, der von der alten Hauptwasserleitung aus dem Jahr vierundzwanzig abzweigt.«
»Was ist der Flaschenhals?« wollte Pendergast wissen.
Diamond kratzte sich mit seinem schmutzigen Zeigefinger an der Nase. »Tief unter dem Park gibt es eine Granitschicht im Gestein. Superhartes Zeug, durch das kaum durchzukommen ist. Um Zeit und Dynamit zu sparen, hat man damals nur ein großes Loch hineingesprengt und dann alle Leitungen durchgelegt. Das ist der Flaschenhals. Die Tunnels beginnen direkt darunter. Soweit ich weiß, ist das der einzige Zugang von Süden her – außer natürlich, Sie nehmen eine Taucherausrüstung mit«
Pendergast betrachtete die Karte eingehend. »Vielen Dank, Mr. Diamond«, sagte er. »Meinen Sie, Sie könnten vielleicht mit mir zusammen noch einmal in den Dachboden des Teufels hinuntersteigen und ihn mir zeigen? Natürlich gegen angemessene Bezahlung, versteht sich.«
Diamond nahm einen langen Zug aus seinem Flachmann.
»Kein Geld der Welt bringt mich jemals wieder da runter.«
Pendergast legte den Kopf schief.
»Noch eines«, meinte Diamond. »Nennen Sie die Tunnels nicht den ›Dachboden des Teufels‹. Das ist Maulwurfsprache. Sprechen Sie von den Astortunnels.«
»Wieso Astortunnels?«
»Weil sie Mrs. Astors Idee waren. Es heißt, sie habe ihren Mann dazu überredet, den ersten Privatbahnhof unterhalb ihres Hauses in der Fifth Avenue zu bauen. Und damit fing alles an.«
»Und woher kommt die Bezeichnung ›der Dachboden des Teufels‹?« wollte Pendergast wissen.
Diamond grinste freudlos. »Keine Ahnung. Aber stellen Sie sich doch bloß mal diese Tunnels dreißig Stockwerke unter der Erde vor. Gekachelte Wartesäle mit Wandgemälden, Spiegeln, Sofas und Mosaiken aus buntem Glas. Hydraulische Aufzüge mit Parkettboden und Samtvorhängen. Und dann stellen Sie sich vor, daß dort jahrelang schmutziges Abwasser hereinflutet und das Ganze schließlich ein Jahrhundert lang zugemauert wird.« Er verschränkte die Arme und sah Pendergast an. »Ich weiß nicht, wie Sie das finden, aber für meine Begriffe könnte so der Dachboden der Hölle aussehen..
29
Der alte Güterbahnhof an der West Side liegt in einer ausgedehnten Senke am westlichen Rand von Manhattan und verbirgt sich so vor den Blicken der Millionen von New Yorkern, die in seiner Nähe leben oder zur Arbeit gehen. Der Rangierbahnhof, der mit seinen dreißig Hektar nach dem Central Park die größte unbebaute Fläche in der Stadt darstellt, liegt seit vielen Jahren in einer Art Dornröschenschlaf. Wo um die Jahrhundertwende noch geschäftiges Treiben geherrscht hatte, verschwinden jetzt verrostete Gleise und Weichen unter Klettengestrüpp und Holunderbäumen, modern verlassene mit Graffiti beschmierte Lagerhäuser langsam vor sich hin.
Zwanzig Jahre lang war dieses Stück Land das Objekt von endlosen Gerichtsverfahren, politischen Manipulationsversuchen, ehrgeizigen Stadtentwicklungsplänen und Baupleiten gewesen. Die Mieter der Lagerhäuser waren einer nach dem anderen ausgezogen und hatten die Gebäude Graffitischmierern, Brandstiftern und
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