Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
Fragen nicht immer hundertprozentig einer Meinung gewe
sen, denn Greg war einer von den Forschern, denen wissenschaftlicher Fortschritt mehr bedeutet als menschliche Moral. Aber deswegen war er noch lange kein Krimineller.« Sie zögerte. »Greg hat übrigens vor einiger Zeit versucht, mit mir in Kontakt zu treten. Das muß etwa einen Monat vor seinem Tod gewesen sein.«
D'Agosta sah sie erstaunt an. »Haben Sie eine Ahnung, weshalb? Befreundet waren Sie ja offensichtlich nicht mit ihm.«
»Zumindest nicht eng. Aber immerhin waren wir Kollegen. Vielleicht befand er sich in Schwierigkeiten und ...«
Ihre Miene verdüsterte sich. »Möglicherweise hätte ich ihm helfen können, aber statt dessen habe ich seinen Anruf einfach ignoriert. Jetzt frage ich mich oft, was er wohl von mir gewollt hat.«
»Ich fürchte, das werden Sie nun nie mehr erfahren«, sagte D'Agosta. »Aber jetzt wäre ich Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie sich hier ein bißchen umsehen würden.«
Als Margo immer noch zögerte, sah D'Agosta sie nachdenklich an. »Wer weiß?« sagte er mit ruhiger Stimme.
»Vielleicht hilft Ihnen das ja, mit Ihren Schuldgefühlen besser fertig zu werden.«
Hübsch gesagt, dachte Margo sarkastisch. Ich wußte gar nicht, daß der gute D'Agosta Hobbypsychologe ist Als nächstes wird er mir weiszumachen versuchen, daß ich nur durch die Untersuchung dieser Ruine meinen inneren Frieden wiedererlangen kann.
Langsam ließ sie ihre Blicke durch das verbrannte Lagerhaus schweifen. »Einverstanden, Lieutenant«, sagte sie schließlich.
»Wunderbar. Soll ich Ihnen einen Fotografen rufen, der für Sie Aufnahmen macht?«
»Vielleicht später. Fürs erste genügen wohl ein paar Skizzen.«
»Dann mal zu«, ermunterte sie D'Agosta, der Margo ziemlich ungeduldig vorkam.
»Meinetwegen müssen Sie nicht hierbleiben«, sagte sie. »Ich schaffe das schon allein.«
»Auf keinen Fall. Nicht nach dem, was Brambell zugestoßen ist.«
»Lieutenant ...«
»Keine Widerrede. Ich wollte sowieso ein paar Proben von der Asche nehmen, damit das Labor sie auf Brandbeschleuniger untersuchen kann. Ich werde Ihnen schon nicht im Weg umgehen.«
Margo seufzte, zog ihr Notizbuch aus der Umhängetasche und machte sich ans Werk. Die Ruine war ein trauriger Ort, der ihr wie ein einziger stummer Vorwurf erschien. Du hättest etwas tun können, dachte sie.
Greg hat versucht, dich zu erreichen, und wer weiß, vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, wenn du ihm gehoffen hättest.
Margo schüttelte den Kopf, um die traurigen Gedanken zu verscheuchen. Ihre Schuldgefühle konnten Greg Kawakita auch nicht wieder lebendig machen. Da war es schon sinnvoller, die Überreste seines Labors zu untersuchen, denn wenn es überhaupt einen Schlüssel für die Aufklärung von Gregs schrecklichem Schicksal gab, dann mußte er hier zu finden sein. Vermutlich beendete sie diesen Alptraum am raschesten, wenn sie sich ihm offensiv stellte. Außerdem gab ihr diese Untersuchung Gelegenheit, eine Weile dem Labor für Foren
sische Anthropologie zu entfliehen, das sich immer mehr in eine Leichenhalle verwandelte. Am Mittwoch nachmittag waren die sterblichen Überreste von Nicholas Bitterman angeliefert worden und hatten eine Reihe von neuen ungelösten Fragen aufgeworfen. Die Kratzspuren am Halswirbel der enthaupteten Leiche deuteten darauf hin, daß auch dieser Kopf hastig mit einem rauhen primitiven Instrument abgeschnitten worden war.
Der oder die Mörder hatten wohl nicht viel Zeit für ihr grausiges Werk gehabt.
Margo ging an die Arbeit. Zunächst fertigte sie eine grobe Skizze von dem Labor an, in das sie die Positionen der Tische und der zerstörten Apparaturen eintrug. In jedem Labor gab es einen bestimmten Arbeitsablauf, aus dem man Rückschlüsse auf die Art der dort betriebenen Forschungen ableiten konnte.
Den wollte Margo jetzt herausfinden.
Nachdem sie ihre Planskizze fertiggestellt hatte, wandte sie sich den Tischen zu. Da sie aus Stahl waren, hatten sie der Hitze des Feuers ziemlich gut widerstanden. Für jeden einzelnen Tisch zeichnete Margo ein Rechteck auf ihren Block, in das sie die Lage der zerbrochenen Reagenzgläser, Titriervorrichtungen, Meßzylinder und anderer Ge genstände eintrug, deren Verwendungszweck ihr noch nicht ganz klar war. Besondere Rätsel gaben ihr die seltsamen rechteckigen Metallgestelle auf, die sie noch nie zuvor in einem Labor gesehen hatte. Eines aber wußte sie ziemlich rasch: In diesem Labor war Biochemie auf
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