Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
gewonnen.«
D’Agosta sah ihn staunend aus großen Augen an. »Das habe ich nicht gewusst.«
»Aber die einfachen Leute scherten sich nicht darum, sie redeten weiter in ihren Dialekten. Selbst als Ihre Eltern auswanderten, sprach nur eine Minderheit offizielles Italienisch. Erst durch das Fernsehen traten die regionalen Sprachen in den Hintergrund. Was Sie für Italienisch halten, Vincent, ist in Wahrheit der Dialekt von Neapel, eine ungemein lebendige Sprache mit zahlreichen Lehnwörtern aus dem Spanischen und Französischen. Ein Jammer, dass er auszusterben droht.«
D’Agosta sah ihn konsterniert an.
»Wer weiß«, versuchte Pendergast ihn zu trösten, »vielleicht führen unsere Ermittlungen uns in den Süden, dann können Sie mit Ihren Sprachkenntnissen glänzen. Aber ich denke, einstweilen sollten wir uns lieber um unser leibliches Wohl kümmern. Ich kenne eine ausgezeichnete Osteria an der Piazza Santo Spirito, die übrigens in der Nähe des Brunnens liegt, für den wir uns im Zuge unserer Ermittlungen ohnehin interessieren sollten.«
Fünf Minuten später bummelten sie durch verwinkelte mittelalterliche Gassen zu der breiten, von Rosskastanienbäumen beschatteten, auf drei Seiten von zauberhaften, mit Stuck verzierten Renaissancehäusern flankierten Piazza, die offensichtlich immer noch ein beliebter Studenten-Treffpunkt war.
Pendergast zog unauffällig das Foto aus Beckmanns Nachlass aus dem Jackett und umrundete den Brunnen, bis er sicher war, die richtige Perspektive gefunden zu haben. »Hier haben die vier gestanden. Der Palazzo Guadagni, den Sie dort hinten sehen, ist eine Studentenpension. Wir sollten uns gelegentlich erkundigen, ob sich jemand an unsere vier Freunde erinnert. Viel Hoffnung habe ich freilich nicht. Und überhaupt, das hat bis morgen Zeit – mein Magen lechzt nach Linguine mit weißen Trüffeln!«
»Ach, mir wäre ein Cheeseburger mit Pommes eigentlich lieber.«
Pendergast drehte sich mit entsetzter Miene zu ihm um. D’Agosta grinste ihn lausbübisch an. »War bloß ein Scherz!«
Sie schlenderten über die Piazza auf das von Pendergast empfohlene Restaurant zu. Der Agent ließ sich einen Tisch zuweisen, winkte D’Agosta neben sich und sagte bewundernd: »Sie sehen durchtrainierter aus als je zuvor, Vincent.«
»Na ja, ich gehe regelmäßig in den Kraftraum, und seit meinen Erfahrungen im Riverside Park nehme ich wieder regelmäßig an den Schießübungen teil.«
»Man hört viel von Ihren Schießkünsten. Ihr Training kann sich bei unserem Abenteuer morgen Nacht als äußerst nützlich erweisen.«
»Was für ein Abenteuer?« D’Agosta war müde, während Pendergast durch den Jetlag nur noch tatendurstiger zu werden schien.
»Wir werden Bullards geheimem Labor in Signa einen Besuch abstatten. Als Sie sich heute Nachmittag hingelegt hatten, habe ich Kontakt mit diversen italienischen Dienststellen aufgenommen, aber sobald der Name Bullard fiel, wollte angeblich niemand Näheres wissen. Selbst die Intervention von Fosco hat nichts genützt. Bullard hat anscheinend einen guten Draht zu den richtigen Leuten und weiß, wen er wann schmieren muss. Das Einzige, was man mir zur Verfügung stellen wollte, war ein ziemlich veralteter Lageplan seiner Industrieanlagen. Wie auch immer. Damit ist wenigstens offensichtlich, dass wir nicht weit kommen, wenn wir den regulären Weg gehen.«
»Im Klartext: Bullard weiß nicht, dass wir kommen?«, vergewisserte sich D’Agosta.
»Unser Besuch hat eher den Charakter eines unerlaubten Eindringens«, bestätigte Pendergast. »Morgen früh erhalten wir die nötige Spezialausrüstung.«
D’Agosta nickte bedächtig. »Könnte aufregend werden.«
»Wollen wir hoffen, dass es nicht zu aufregend wird. Je älter ich werde, desto mehr wird mir klar, dass ich ruhigen Abenden am Kaminfeuer mehr Reiz abgewinne als nächtlichen Schusswechseln, Vincent.«
51
Bryce Harriman zwängte sich mit der in vielen Jahren erworbenen Routine des alten Pressehasen durch die Menschenmenge auf die Nordseite der Fifth Avenue hinüber. Ritts hatte Recht: Von Mencks Theorien hatten den Nerv der Stadt genau getroffen. Das Telefon in der Redaktion stand nicht mehr still. Natürlich waren die meisten Anrufer Spinner. Wie hätte es auch anders sein können bei den Lesern der Post? Trotzdem, das Interesse der Öffentlichkeit war beeindruckend. Der ganze Krampf vom Goldenen Schnitt und wie sich historische Daten und mathematische Berechnungen in das Gesamtbild einfügten,
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