Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
schauten sich an. Rockers Blick ruhte lange auf Hayward. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er sie geradezu beschwören wollte. Halten Sie die Dinge in vernünftigen Grenzen, schien er ihr zu suggerieren. Mir zuliebe.
»Buck wird es zu schätzen wissen, wenn ihn zwei hohe Polizeioffiziere aufsuchen«, fuhr Rocker fort. »Grable, Sie sind der Dienstälteste, ich überlasse es Ihnen, den Ablauf im Einzelnen festzulegen.« Er stand auf. »Die Besprechung ist beendet.«
64
Der Morgen nach ihrem Ausflug nach Cremona war hell und klar. D’Agosta blinzelte in die Sonne, als er in Pendergasts Schlepptau auf die Piazza Santo Spirito zusteuerte.
»Konnten Sie Kontakt mit Captain Hayward aufnehmen?«, erkundigte sich der Agent.
»Ja, kurz bevor ich zu Bett gegangen bin.«
»Gab’s was Interessantes?«
»Eigentlich nicht. Alle Spuren, die sie in der Mordsache Cutforth verfolgt haben, erwiesen sich als Blindgänger. Die Überwachungskameras in dem Apartmenthaus haben ebenfalls nichts gebracht. Offenbar verhält es sich im Fall Grove genauso. Inzwischen konzentriert sich die New Yorker Polizei auf einen Prediger, der sich im Central Park häuslich niedergelassen hat.«
D’Agosta sah sofort, dass es auf der Piazza nicht annähernd so still und friedlich zuging wie bei ihrem letzten Besuch. Eine Gruppe Rucksacktouristen, verstärkt durch mindestens zehn frei laufende Hunde, hatte es sich auf den Treppen des Brunnens bequem gemacht, unterhielt sich lautstark in weiß der Himmel welchen Sprachen und stärkte sich mit Hasch und Brunello aus der Flasche für kommende Taten.
»Passen Sie auf, wo Sie hintreten, Vincent«, murmelte Pendergast. »In der schönen Stadt Florenz liegen Licht und Schatten leider nahe beieinander. Werfen Sie zum Beispiel einen Blick auf den Palazzo Guadagni – dort drüben, eines der schönsten Beispiele für die Baukunst der Renaissance. Er wurde im fünfzehnten Jahrhundert errichtet, aber der Stammbaum der Familie Guadagni reicht viel weiter zurück. Der zweite Stock wurde in Büros und Apartments aufgeteilt, der dritte beherbergt die Pension für ausländische Studenten. Eine gewisse Signora Donatelli hat die Funktion der Herbergsmutter übernommen. Übrigens bin ich so gut wie sicher, dass Beckmann und seine Freunde 1974 dort Unterschlupf gefunden haben.«
»Gehört ihr der Palazzo?«
»So ist es. Signora Donatelli ist der letzte Spross aus dem Geschlecht der Guadagnis.«
»Und Sie glauben wirklich, dass sie sich daran erinnert, wer 1974 dort Logis genommen hat?«
Pendergast zuckte die Achseln. »Wer weiß? Einen Versuch ist es jedenfalls wert.«
Sie sahen zu, dass sie mit halbwegs sauberen Schuhen die Piazza überquerten, und gelangten durch etliche mit Eisen beschlagene Tore in das Treppenhaus des Palazzo. Hin und wieder kamen sie an einem verblassten Fresko vorbei, das noch an den Glanz vergangener Tage erinnerte, aber der allgemeine Eindruck war eher der eines einstmals prächtigen, nun jedoch vom Zahn der Zeit angenagten Herrenhauses. Der so genannte Empfangsraum der Studentenpension war, an den Ausmaßen des Palazzo gemessen, ein bescheidenes Zimmer. Hinter dem antiken Sekretär saß eine auffallend kleine, elegant gekleidete und dezent geschminkte alte Dame. Der hübsche Schmuck, den sie am Hals und an den Fingern trug, schien echt zu sein.
Pendergast machte eine galante Verbeugung. » Molto lieto di conoscer La, signora. «
Die alte Dame musterte ihn von Kopf bis Fuß, dann erwiderte sie auf Englisch, wenn auch mit leichtem Akzent: »Ich vermute, Sie sind nicht hergekommen, um ein Zimmer zu mieten.«
»Das ist richtig«, bestätigte Pendergast, zückte das Mäppchen mit seinen Ausweispapieren und hielt es ihr hin.
»Aha«, stellte sie fest, nachdem sie den Ausweis und die Dienstmarke gründlich geprüft hatte, »Polizei!«
Pendergast nickte.
Ihr Tonfall wurde reservierter. »Worum geht es? Fassen Sie sich bitte kurz, meine Zeit ist knapp bemessen.«
»Im Herbst 1974 haben, glaube ich, einige amerikanische Studenten hier Logis genommen. Ich habe ein Foto von ihnen dabei.« Er kramte es aus einer seiner Taschen und hielt es ihr hin.
Sie machte sich nicht mal die Mühe, einen Blick darauf zu werfen. »Können Sie mir die Namen nennen?«
»Ja.«
»Dann folgen Sie mir bitte.« Sie ging mit zierlichen, dennoch forschen Schritten voran und führte Pendergast und D’Agosta durch eine Hintertür in einen etwas großzügiger bemessenen Raum, der offenbar als Bibliothek und
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