Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
Erinnerungsvermögen nicht im Stich, er fand den Pub auf Anhieb, und innen war immer noch alles so schön gemütlich wie früher. Das Herz ging ihm auf beim Gedanken an einen echten New Yorker Cheeseburger – innen schön saftig und ohne all die überkandidelten Beigaben, für die er in Southampton fünfzehn Dollar hinblättern musste.
Pappsatt machte er sich eine Stunde später auf den Weg. Es war halb acht. Auf den Straßen tobte die Rushhour. Ein goldfarbener 80er-Jahre-Impala mit getönten Scheiben nahm ihn fast auf die Hörner, als er vor der nächstgelegenen U-Bahn-Station die Straße überquerte. Fluchend setzte D’Agosta seinen Weg fort, quetschte sich durch das Drehkreuz und stieg die Stufen zum Bahnsteig hinunter. Er hatte immer noch viel Zeit, trotz der Stunde, die er im Mulliris totgeschlagen hatte. Vielleicht hätte er doch noch einen trinken sollen. Kaum eine Minute später fuhr der Zug mit viel Getöse in den Bahnhof ein. D’Agosta stieg ein, ergatterte einen Sitzplatz, ließ sich auf dem harten Plastik nieder und schloss die Augen.
Im Geiste zählte er die Stationen mit – 72th Street, 79th Street, 86th Street … Als die Bahn das nächste Mal abbremste, öffnete er die Augen, stand auf, stieg aus und verließ den Bahnhof durch den südlichen Ausgang. Er überquerte den Broadway und folgte 94th Street nach Westen bis zum Riverside Drive. Auf der anderen Straßenseite konnte er jenseits des schmalen Riverside Park den West Side Highway sehen und ein Stückchen dahinter sogar den Fluss. Es war ein schöner Abend, obgleich der Himmel sich langsam zuzog und die Luft immer schwerer wurde. Der Hudson floss träge wie schwarze Tinte in seinem Bett, während die Lichter New Jerseys das jenseitige Ufer sprenkelten. In der Ferne zuckte ein Blitz über den Himmel. D’Agosta wandte sich ab und blickte sich nach der nächsten Hausnummer um. Zweihundertvierzehn. Zweihundertvierzehn? Er fluchte. Die paar Jahre in Kanada hatten ihm übel mitgespielt. Achthunderteinundneunzig lag viel weiter nördlich, als er vermutet hatte. Wahrscheinlich fast in Harlem. Was zum Teufel trieb Pendergast dort oben? D’Agosta überlegte. Er konnte zurück zur U-Bahn gehen, nur bedeutete dies einen weiten Weg bergauf bis zum Broadway und möglicherweise langes Warten an der Station auf den nächsten Zug. Oder er nahm sich ein Taxi. Aber auch dazu musste er zurück zum Broadway, und um diese Zeit würde es schwer, eins zu finden, das in Richtung Norden unterwegs war.
Oder er konnte sich zu Fuß auf den Weg machen. D’Agosta wandte sich nach Norden und ging los. Wahrscheinlich waren es nur zehn bis fünfzehn Blocks, nicht mehr. Etwas Bewegung in der frischen Luft würde ihm gut tun, er hatte sowieso zu viel Speck angesetzt. Im Übrigen hatte er immer noch über eine Stunde Zeit.
Er schlug ein strammes Tempo an, sodass bei jedem Schritt seine Schlüssel mit den Handschellen an seinem Koppelzeug um die Wette klapperten. Der Wind rauschte durch die Bäume am Rand des Riverside Park, und die Fenster der eleganten Apartmentgebäude am Flussufer waren hell erleuchtet. Es war mittlerweile fast acht, aber viele kamen erst jetzt von der Arbeit nach Hause. Männer und Frauen in Anzügen und Kostümen hetzten den Gehsteig entlang, ein Musiker schleppte sein Cello nach Hause, ein paar Männer, wahrscheinlich Dozenten des nahe gelegenen College, diskutierten auf offener Straße laut über einen gewissen Hegel. Hin und wieder nickte ihm jemand lächelnd zu, freute sich, ihn hier zu sehen. Vieles hatte sich in New York seit dem elften September geändert, unter anderem eben auch die Reaktion der Leute auf einen Cop. Ein Grund mehr, so rasch wie möglich hierher zurückzukehren, dachte D’Agosta. Leise summte er vor sich hin. Der typische Geruch der West Side stieg ihm in die Nase, diese Mischung aus salziger Meerluft, Autoabgasen, Müll und Asphalt. Ab und zu mischte sich der Duft von frisch geröstetem Kaffee aus einem der zahlreichen rund um die Uhr geöffneten Deli-Shops dazu. Wenn man New York im Blut hat, dachte er wehmütig, kann man seine Gerüche nie wieder vergessen.
Er überquerte die 110th Street. Hausnummer vierhundertnochwas. Die Nummern stiegen viel langsamer an, als er vermutet hatte. Zum Glück war er immer noch früh dran. Möglicherweise wohnte Pendergast ja in einem der gediegenen Backsteinhäuser oben an der Columbia. Das sähe ihm ähnlich. D’Agosta legte einen Schritt zu. Die Häuser waren nicht mehr so elegant, aber
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