Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
geräumigem Büro eintraf, saß dieser in seinem angestammten Ohrensessel und unterhielt sich mit einem jungen Mann. Beide erhoben sich von ihren Plätzen, als sie hereinkam.
»Nora«, sagte Menzies. »Darf ich Ihnen Dr. Adrian Wicherly vorstellen, den Ägyptologen, von dem ich Ihnen erzählt habe? Adrian, das ist Dr. Nora Kelly.«
Wicherly wandte sich mit einem Lächeln an Nora. Ein zerzauster brauner Wuschelkopf war das einzig Exzentrische an diesem ansonsten tadellos gepflegten und gekleideten Mann. Nora erfasste mit einem Blick die schlichte Eleganz des Savile-Row-Anzugs, die feinen Lederschuhe und die teure Krawatte.
Ihre kurze Bestandsaufnahme endete bei einem überaus attraktiven Gesicht: Grübchen in den Wangen, leuchtend blaue Augen und strahlend weiße Zähne. Er kann nicht älter als dreißig sein, dachte sie.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Dr. Kelly«, sagte er mit lupenreinem Oxbridge-Akzent.
Er schüttelte ihr liebenswürdig die Hand und schenkte ihr erneut sein strahlendes Lächeln.
»Ganz meinerseits. Und bitte nennen Sie mich Nora.«
»Nora. Natürlich. Entschuldigen Sie meine Förmlichkeit – meine spießige Erziehung erweist sich auf dieser Seite des großen Teichs als regelrechte Achillesferse. Ich wollte nur sagen, dass ich es einfach famos finde, hier zu sein und bei diesem Projekt mitmachen zu dürfen.«
Famos
. Nora unterdrückte ein Lächeln. Adrian wirkte fast wie eine Karikatur des vor Eifer und Höflichkeit strotzenden britischen Jünglings – ein Typus, von dem sie immer angenommenhatte, dass er außerhalb von P. G. Wodehouse-Romanen gar nicht existierte.
»Adrian bringt einige eindrucksvolle Referenzen mit«, sagte Menzies. »Promotion in Oxford, Leitung der Expedition zum Grab KV 42 im Tal der Könige, Lehrstuhlinhaber für Ägyptologie in Cambridge, Autor der Monographie
Pharaonen der 20. Dynastie
.«
Nora betrachtete Wicherly mit neu gewonnener Hochachtung. Er war erstaunlich jung für einen Ägyptologen von solchem Format. »Sehr beeindruckend.«
Wicherly setzte eine selbstironische Miene auf. »Jede Menge akademischer Nonsens, mehr nicht.«
»Wohl kaum.« Menzies warf einen Blick auf seine Uhr. »Um zehn treffen wir uns mit einem Mitarbeiter der Wartungsabteilung. Wenn ich es recht verstanden habe, weiß keiner mehr so ganz genau, wo sich das Grab des Senef befindet. Wir wissen zwar mit absoluter Sicherheit, dass es eingemauert wurde und seitdem unzugänglich ist, aber das ist auch schon alles. Wir werden uns einen Weg durch die Mauern brechen müssen.«
»Faszinierend«, strahlte Wicherly. »Ich fühle mich schon wie Howard Carter.«
Sie betraten einen alten Messingaufzug, der sich ächzend und stöhnend in Bewegung setzte, um sie in den Keller zu befördern. Beim Wartungsbereich stiegen sie aus und schlängelten sich auf einem gewundenen Pfad durch die Maschinenhalle und die Tischlerei, bis sie schließlich die offene Tür eines kleinen Büros erreichten. Ein schmächtiger Mann saß darin an einem Schreibtisch und brütete über einem dicken Stapel Blaupausen. Er erhob sich, als Menzies an den Türrahmen klopfte.
»Ich möchte Sie beide mit Mr. Seamus McCorkle bekannt machen«, erklärte Menzies. »Er weiß wahrscheinlich mehrüber die Raumaufteilung in diesem Museum als jeder andere Mensch auf der Welt.«
»Was nicht viel bedeutet«, meinte McCorkle. Er war Anfang fünfzig und hatte ein feingeschnittenes keltisches Gesicht und eine hohe Fistelstimme. Er sagte
vill
statt
viel
.
Nachdem Menzies alle miteinander bekannt gemacht hatte, wandte er sich wieder an McCorkle. »Haben Sie unser Grab gefunden?«
»Ja. Glaub ich jedenfalls.« McCorkle deutete mit einem Kopfnicken auf einen Stapel Blaupausen. »Es ist nicht leicht, in diesen alten Aufzeichnungen fündig zu werden.«
»Warum nicht?«, fragte Wicherly.
McCorkle fing an, die oberste Blaupause auszurollen. »Das Museum besteht aus vierunddreißig miteinander verbundenen Gebäuden auf 2,4 Hektar, hat eine Gesamtfläche von hundertachtzigtausend Quadratmetern und Korridore von insgesamt neunundzwanzig Kilometern Länge – und dabei sind die unter den Kellern verlaufenden Tunnel nicht einmal mitgerechnet, da niemand sie je vermessen oder aufgezeichnet hat. Ich habe einmal versucht herauszufinden, wie viele Räume sich allein in diesem Abschnitt hier befinden – bei tausend habe ich es aufgegeben. Das Museum ist in jedem einzelnen Jahr seiner einhundertvierzigjährigen Geschichte umgebaut und renoviert
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