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Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Titel: Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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irgendeine unbewusste Anspielung fallen lassen? Das erschien ihr zwar höchst unwahrscheinlich – er war so umsichtig gewesen. Aber weil er davon ausgegangen war, dass sie sterben würde, war er vielleicht nicht ganz so wachsam gewesen.
    Sie verließ das Badezimmer, setzte sich auf die Bettkante. Sie hielt einen Moment inne, um ihre Gedanken zu klären, so gut sie konnte. Dann dachte sie zurück an ihre ersten Gespräche mit ihm, in der Bibliothek des Hauses am Riverside Drive 891. Es war eine demütigende Übung, ungeheuer schmerzlich, als würde man einen Verband unverarbeiteter Erinnerungen lösen. Und doch zwang sie sich dazu, weiterzumachen, ihre ersten Gespräche heraufzubeschwören, seine geflüsterten Worte.
    Nichts.
    Dann ging sie ihre späteren Treffen durch, die Bücher, die er ihr geschenkt hatte, sein dekadentes Schwadronieren über das sinnliche Leben. Aber da war noch immer nichts, nicht einmal die Andeutung einer geographischen Anspielung.
    In meinem Haus – meinem
richtigen
Haus, dem, das mir wichtig ist – habe ich auch eine Bibliothek wie diese.
Das hatte er ihr einmal erzählt. War das, wie alles andere, nur eine zynische Lüge gewesen? Oder lag darin vielleicht ein Fünkchen Wahrheit?
    Ich wohne am Meer. Ich kann in jenem Zimmer sitzen, alles Licht
und alle Kerzen gelöscht, und dem Rauschen der Brandung lauschen, und dann werde ich zu einem Perlentaucher …
    Eine Bibliothek, in einem Haus am Meer. Das war keine große Hilfe. Sie sprach sich die Wörter vor, immer und immer wieder. Aber er war so vorsichtig gewesen, jedes persönliche Detail zu verbergen – außer jenen Lügen, die er sich so sorgsam ausgedacht hatte, wie zum Beispiel die Narben seines Selbstmordversuchs.
    Sein Selbstmordversuch.
Ihr wurde klar, dass sie in ihrer Erinnerung unbewusst jenes eine Ereignis gemieden hatte, das die größte Gelegenheit bot, etwas zu offenbaren. Und trotzdem konnte sie es nicht ertragen, wieder daran zu denken. Jene letzten gemeinsamen Stunden noch einmal zu durchleben – die Stunden, in denen sie sich ihm hingegeben hatte – würde fast ebenso schmerzlich sein wie die erste Lektüre seines Briefes …
    Aber wieder senkte sich eine Kälte über sie. Langsam legte sie sich auf das Bett zurück und starrte in die Dunkelheit, während sie sich jedes exquisite und schmerzliche Detail dieser Stunden in Erinnerung rief.
    Er hatte ihr, als seine Leidenschaft größer wurde, Gedichtzeilen ins Ohr gemurmelt. Es waren italienische gewesen:
    Ei s’immerge ne la notte
Ei s’aderge in vér’le stelle.
    Er stürzt sich in die Nacht,
Er greift nach den Sternen.
    Sie wusste, dass das Gedicht von Carducci war, aber sie hatte es noch nie sorgfältig studiert. Vielleicht war jetzt die Zeit dafür gekommen.
    Sie setzte sich allzu rasch auf und stöhnte wegen des Pochens inihrem Ohr. Sie ging ins Badezimmer, wo sie sich daranmachte, die Wunde gründlich zu säubern. Sie bestrich sie mit antibiotischer Salbe und verband sie so unauffällig wie möglich. Als sie damit fertig war, zog sie sich aus, nahm ein kurzes Bad, wusch sich die Haare, zog frische Kleidung an. Als Nächstes stopfte sie den Waschlappen, das Handtuch und die blutige Kleidung in einen Müllbeutel, den sie hinten im Kleiderschrank gefunden hatte. Sie nahm ihre Toilettenartikel und legte sie zurück in ihren Koffer. Zog einen frischen Schal hervor und wickelte ihn sich sorgfältig ums Gesicht.
    Sie verschloss den Koffer. Dann nahm sie den Müllbeutel und stieg die Treppe zum Empfangszimmer des Klosters hinunter. Die Nonne saß noch immer dort und erschrak fast ein wenig, als Constance so plötzlich vor ihr stand.
    »Signora, ist irgendetwas nicht zu Ihrer Zufriedenheit?«
    Constance öffnete ihr Portemonnaie. »
Quanto costa?
Wie viel?«
    »Signora, sollte es ein Problem mit Ihrem Zimmer geben, so können wir Ihnen sicherlich behilflich sein.«
    Sie zog einen zerknitterten 100-Euro-Schein hervor, legte ihn auf den Tresen.
    »Das ist zu viel für nicht einmal eine Nacht …«
    Aber Constance war bereits in der kalten, regnerischen Dunkelheit verschwunden.

74
     
    Zwei Tage darauf stand Diogenes Pendergast an der Backbordreling der Fähre und schaute zu, wie diese das wogende blaue Wasser des südlichen Mittelmeeres durchpflügte. Das Schiff passierte das von einem Leuchtturm und einer zerstörten Burg gekrönte Felsenkap von Capo di Milazzo. Hinterihm, im Dunst versinkend, ragte der hügelige Schatten Siziliens auf, der blaue Umriss des Ätna hob

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