Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
Wicherly. »Vorschrift des Museums. Da drinnen könnten Gefahren lauern.«
»Vielleicht die Mumie aus der schwarzen Lagune«, lachte Wicherly und warf Nora einen Blick zu.
Sie traten vorsichtig ins Innere, blieben dann stehen und schauten sich neugierig um. Im Licht der Taschenlampen erkannte man eine große steinerne Schwelle, dahinter lag eine abwärtsführende Treppe aus unbehauenen Kalkstein blöcken.
McCorkle ging auf die erste Stufe zu, zögerte, lachte dann ein ein wenig nervös. »Sind Sie bereit, meine Dame, meine Herren?«
9
Captain Laura Hayward, Leiterin der Mordkommission, stand in ihrem Büro und betrachtete nachdenklich das unordentliche Dickicht, das aus ihrem Schreibtisch und aus jedem Stuhl zu wachsen schien und allmählich auch auf den Fußboden übergriff – chaotische Haufen aus Papieren und Fotos, Knäuel farbiger Schnur, CDs, vergilbte Telexblätter, Beweisetiketten,Briefumschläge. Die äußerliche Unordnung, dachte sie, spiegelt haargenau wider, wie es in mir drin aussieht.
Dieses Chaos war einmal ihr säuberlich geordnetes Beweisgebäude gegen Special Agent Pendergast gewesen, das sie Steinchen für Steinchen zusammengetragen hatte – das ganze Belastungsmaterial samt farbigen Schnüren, Fotos und Etiketten. Es hatte alles so gut gepasst. Die Spuren waren subtil, aber überzeugend gewesen und hatten ein in sich schlüssiges Bild ergeben. Ein Blutfleck an einem entlegenen Ort, einige Mikrofasern, einige Haarsträhnen, ein auf bestimmte Art gebundener Knoten, die Abfolge der Besitzer einer Mordwaffe. Die DNA-Tests logen nicht, die kriminaltechnischen Untersuchungen logen nicht, die Autopsien logen nicht. Alle Befunde deuteten auf Pendergast. Der Fall war wasserdicht.
Vielleicht
zu
wasserdicht. Das war, kurz gesagt, das Problem. Es klopfte leise an der Tür. Als Hayward sich umdrehte, sah sie Captain Glen Singleton, den Leiter des örtlichen Reviers, im Türrahmen stehen. Singleton war Ende vierzig, groß und schlank, hatte die geschmeidigen, kraftvollen Bewegungen eines Schwimmers, ein schmales Gesicht und ein Adlerprofil.
Sein schwarzer Anzug wirkte entschieden zu teuer und zu gut geschnitten für einen Captain der New Yorker Polizei, und alle zwei Wochen ließ er sein graumeliertes Haar von dem sündhaft teuren Frisör, der in der Lobby des
Carlyle
residierte, perfekt in Form schneiden. Doch was bei einem anderen Polizisten vielleicht einen Hang zur Bestechlichkeit nahegelegt hätte, war bei Singleton lediglich Ausdruck eines persönlichen Hangs zum Perfektionismus. Und trotz seines Faibles für elegante Anzüge war er ein verdammt guter Polizist, einer der am höchsten dekorierten Beamten im aktiven Polizeidienst.
»Laura, darf ich?« Er lächelte und zeigte eine Reihe makelloser Zähne.
»Klar, wieso nicht?«
»Wir haben Sie gestern Abend bei dem Abteilungsessen vermisst. Gab’s ein Problem?«
»Ein Problem? Nein, nichts dergleichen.«
»Wirklich? Dann verstehe ich nicht, wieso Sie sich eine Gelegenheit zum Essen, Trinken und Feiern entgehen lassen.«
»Ich weiß nicht. Ich war wohl nicht in Stimmung, zu feiern.«
Es folgte ein betretenes Schweigen, während Singleton sich nach einem leeren Stuhl umsah.
»Entschuldigen Sie die Unordnung. Ich habe gerade …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
»Was?«
Hayward zuckte mit den Achseln.
»Das hatte ich befürchtet.« Singleton zögerte einen Moment, schien dann zu einem Entschluss zu kommen, schloss die Tür hinter sich und trat auf Laura zu.
»Das sieht Ihnen gar nicht ähnlich, Laura«, sagte er leise.
Aha, daher weht der Wind,
dachte Hayward.
»Ich bin Ihr Freund, deshalb will ich nicht um den heißen Brei herumreden«, fuhr er fort. »Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, was Sie gerade gemacht haben, aber Sie werden sich Ärger einhandeln, wenn Sie damit weitermachen.«
Hayward wartete.
»Sie haben diesen Fall lehrbuchmäßig gelöst. Sie haben alles richtig gemacht. Weshalb zerfleischen Sie sich jetzt?«
Hayward starrte Singleton einen Augenblick lang wortlos an und versuchte, ihre aufflammende Wut zu beherrschen, die, wie sie wusste, eher gegen sie selbst als gegen Singleton gerichtet war.
»Warum? Weil der falsche Mann im Gefängnis sitzt. Agent Pendergast hat weder Torrance Hamilton noch Charles Duchamp oder Michael Decker ermordet. Sein Bruder Diogenes ist der wahre Täter.«
Singleton seufzte. »Hören Sie. Wir wissen, dass Diogenes dieDiamanten des Museums gestohlen und Viola Maskelene entführt
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