Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
Betriebsunfall erwähnt. Man hielt Papageien im Labor, um das Virus zu kultivieren und zu testen. Einer der Papageien ist entflogen.«
»Und ist über den Black-Brake-Sumpf geflogen und hat eine Familie in Sunflower infiziert. Die Doanes.«
Phillips sah sie scharf an. »Sie scheinen ja eine Menge zu wissen.«
»Bitte erzählen Sie weiter.«
Phillips trank noch einen Schluck; seine Hände zitterten immer noch. »Slade und die Gruppe entschieden … das, äh,
spontane
Experiment seinen Lauf nehmen zu lassen. Als sie den Papagei schließlich ausfindig gemacht hatten, war es ohnehin zu spät – die Familie hatte sich bereits angesteckt. Also hat man die Sache laufen lassen, um herauszufinden, ob die neue Variante des Virus, die man entwickelt hatte, wirkt.«
»Hat sie aber nicht.«
Phillips nickte. »Die Familie starb. Natürlich nicht auf der Stelle. Das war dann auch der Zeitpunkt, als man mich hinzuzog, damit ich das Unternehmen im Nachhinein wegen der juristischen Folgen beriet. Ich war entsetzt. Die Geschäftsleitung hatte sich ungeheuerlicher Rechtsverstöße schuldig gemacht, mehrfacher schwerer Straftaten bis hin zu fahrlässiger Tötung. Eine Katastrophe, was die unternehmensrechtliche und strafrechtliche Seite anging. Ich habe denen gesagt, dass es keinerlei rechtlich gangbaren Weg gebe, den sie gehen könnten, bei dem sie am Ende dort landen würden, wo es ihnen gefiel. Also hat man die Sache begraben.«
»Das heißt, Sie haben es nicht gemeldet.«
»Das fiel alles unter die anwaltliche Schweigepflicht.«
Pendergast meldete sich wieder zu Wort. »Wie ist das Feuer ausgebrochen? Dasjenige, bei dem Slade ums Leben kam?«
Phillips wandte sich zu ihm um. »Die Versicherungsgesellschaft hat eine gründliche Untersuchung durchgeführt. Es war ein Betriebsunfall, Ursache die unsachgemäße Lagerung chemischer Stoffe. Wie gesagt, zu der Zeit war das Unternehmen bestrebt, auf Teufel komm raus Einsparungen vorzunehmen.«
»Und was ist mit den anderen Leuten in der Vogelgrippe-Gruppe passiert?«
»Ich weiß zwar nicht, um wen es sich handelt, habe aber gehört, dass sie auch verstorben sind.«
»Und trotzdem hat jemand Ihr Leben bedroht.«
Er nickte. »Ich erhielt einen Anruf, erst vor einigen Tagen. Der Anrufer hat sich mir nicht vorgestellt. Wie es scheint, haben Ihre Ermittlungen Bewegung in die Sache gebracht.« Er holte tief Luft. »Mehr weiß ich nicht. Hiermit habe ich Ihnen alles erzählt. Ich war weder Teil des Experiments, noch habe ich mit dem Tod der Familie Doane etwas zu tun. Ich wurde im Nachhinein hinzugezogen, damit ich den Schaden repariere – das ist alles.«
»Was können Sie uns über June Brodie erzählen?«, fragte Hayward.
»Sie war Slades Chefsekretärin.«
»Wie würden Sie sie charakterisieren?«
»Ziemlich jung. Attraktiv. Motiviert.«
»Gut in ihrem Job?«
»Sie war Slades rechte Hand. Sie schien ihre Finger überall drin zu haben.«
»Was soll das heißen?«
»Dass sie stark ins Tagesgeschäft des Unternehmens involviert war.«
»Bedeutet das auch, dass sie über das Geheimprojekt Bescheid wusste?«
»Wie ich bereits sagte, das Projekt war streng geheim.«
»Aber sie war Slades Chefsekretärin«, warf Pendergast ein. »Und hochmotiviert. Sie hat doch sicherlich alles gesehen, was über seinen Schreibtisch ging.«
Phillips erwiderte nichts darauf.
»Welche Art von Beziehung hatte sie zu ihrem Arbeitgeber?«
»Slade hat nie mit mir darüber gesprochen.«
»Aber Sie haben doch bestimmt Gerüchte gehört«, fuhr Pendergast fort. »War es mehr als eine berufliche Beziehung?«
»Das konnte ich nicht erkennen.«
»Was für eine Art Mann war Slade?«, fragte Hayward nach einem Moment.
Zunächst hatte es den Anschein, als wollte Phillips nicht antworten. Doch dann wurde sein trotziger Gesichtsausdruck milder, und er seufzte resigniert. »Charles Slade verband auf faszinierende Weise visionäre Brillanz und außergewöhnliche Fürsorglichkeit, gemischt mit einer unerhörten Gier, ja Brutalität. Er schien das Beste wie das Schlimmste im Menschen zu verkörpern – wie es ja bei vielen Vorstandschefs der Fall ist. Im einen Moment konnte er am Bett eines sterbenden Jungen weinen und im nächsten zehn Millionen aus dem Budget streichen und dadurch die Entwicklung eines Medikaments stoppen, das Tausenden Menschen das Leben gerettet hätte.«
Es entstand ein kurzes Schweigen.
Pendergast musterte den Anwalt ganz ruhig. »Sagen Ihnen die Namen Helen Pendergast oder
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