Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
älter, dicker, weicher, nachgiebiger. Alban drängte den Mann in die Mitte des Zimmers. Der Kerl unternahm ein paar halbherzige Versuche, mit den Fäusten um sich herum und nach ihm zu schlagen, aber als er spürte, dass irgendetwas seinen Hals zuschnürte, hörte er damit bald auf. Alban merkte, wie die Knie des Mannes zu zittern begannen, aus Angst, vielleicht auch aufgrund von Sauerstoffmangel. Die dünnen, fettigen Haare, die er über eine sommersprossige kahle Stelle gekämmt hatte und nach Lime Tonic stanken, befanden sich direkt unter seiner Nase, und das ärgerte Alban. Die ganze Sache machte auch nicht entfernt so viel Spaß wie die mit der Frau. Es fehlte da eine gewisse Herausforderung, ein gewisses Flair. Das musste er sich merken.
Er lockerte den Griff, und der Mann holte rauh, keuchend und verzweifelt Luft. »Was machen Sie denn –?«
Noch einmal packte Alban fester zu. Er hatte keine Lust auf Diskussionen.
Als der Mann wieder anfing, um sich zu schlagen, sagte Alban in freundlichem Tonfall: »Psst, alles wird gut, wenn du kooperierst.« Der Mann hörte auf. Erstaunlich, dass die einem alles glaubten. Trotzdem: Er hielt den Arm weiterhin um den Hals gelegt – nur für den Fall der Fälle.
Er stellte den Mann hin, wappnete sich, dann zog er das Taschenmesser hervor und hielt es weit außerhalb des Gesichtsfelds des Opfers. Er streckte den rechten Arm weit nach rechts, und dann schwang er das Messer schnell herum und stach es dem Mann mit einer scharfen Drehung tief in den Hals, genauso wie er es schon hundertmal getan hatte, wobei er es hauptsächlich an Schweinen geübt hatte. Dann stieß er den Mann nach vorn, während er gleichzeitig nach hinten sprang.
Ein Sprühnebel aus Blut und ausgeatmeter Luft spritzte hervor, aber kein Tropfen traf Alban. Diesmal war der Sturz lauter und schwerer, was Alban ein gewisses Unbehagen bereitete, weil es ihn daran erinnerte, dass er seine Technik vielleicht doch noch verfeinern müsste. Er sah auf die Uhr, wartete die Todeszuckungen des Mannes ab, dann holte er sein Werkzeug hervor und machte sich schnell an die Arbeit.
Ja, dachte er, während er vor Anstrengung ein bisschen schnaufte, er freute sich auf seine kleine persönliche Studie der Hotels in New York und den besonderen Charakter, den er für jedes einzelne erfinden würde.
9
D er Hotelflügel war abgesperrt, alle Gäste waren verlegt worden. Der Hotelmanager, ein nervöser junger Mann, war sogar im Rollstuhl fortgebracht worden, weil er einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Das war etwas Neues in Lieutenant D’Agostas Erfahrung. Die Pressemeute hatte sich draußen auf der 50. Straße eingefunden, und selbst oben im sechsten Stock hörte D’Agosta den leisen Tumult unten und sah das Blaulicht der Streifenwagen, das durch die durchscheinenden Vorhänge in die Zimmer fiel. Vielleicht war es aber auch nur die Morgendämmerung, die nach einer langen, langen Nacht heraufzog.
D’Agosta stand im Schlafzimmer, Plastiküberzieher an den Schuhen, und schaute zu, wie die Leute von der Spurensicherung zum Schluss kamen. Mehr als acht Stunden waren seit dem Mord vergangen. Die Leiche war aus dem Hotelzimmer fortgeschafft worden, zusammen mit dem einzelnen Finger, den sie bei der Leiche gefunden hatten: das erste Glied des rechten Zeigefingers. Der Teppichboden wies einen Blutfleck von einem Meter Durchmesser auf, und die gegenüberliegende Wand war karmesinrot vollgespritzt wie aus einem Gartenschlauch. Im Zimmer lag der charakteristische Eisengeruch eines gewaltsamen Todes, hinzu kam der darunterliegende Geruch der verschiedenen Chemikalien, die die Spurensicherung eingesetzt hatte.
Captain Singleton war eine halbe Stunde vor Ende der ersten Ermittlungen am Tatort eingetroffen. Einerseits war D’Agosta dankbar für die Unterstützung: Wenn der Leiter des Morddezernats ein Interesse zeigte, dann wurden die Dinge wirklich erledigt. Andererseits konnte er sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Singletons plötzliches Erscheinen ein Misstrauensvotum darstellte. Der zweite Mord hatte den Fall an die Spitze jeder Spätnachrichtensendung in der Stadt katapultiert und die Schießerei mit fünf Toten im Central Park völlig aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verdrängt. Außerdem waren er und Singleton, er sollte sich da nichts vormachen, nicht immer beste Freunde gewesen. Ein paar Jahre zuvor, während eines desaströsen Falls, an dem D’Agosta zusammen mit Pendergast gearbeitet hatte, hatte Singleton
Weitere Kostenlose Bücher