Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
zusammengefallen, grau, die normalerweise silbrigen Augen wirkten so matt und schwer wie altes Blei. Seine verschränkten Hände zitterten ganz leicht.
D’Agosta schlug einen unbeschwerten Ton an. »Pendergast, Sie sollen nur wissen, wie leid es mir tut, dass Helen tot ist. Ich weiß zwar nicht, was für Pläne Sie haben, aber ich stehe hundertprozentig zu Ihnen – wie immer Sie auch darangehen wollen, diese Dreckskerle dranzukriegen.«
Pendergast zeigte absolut keine Reaktion.
»Wir benötigen eine … äh, Sterbeurkunde, eine Erklärung, dass es sich um einen Mord handelt. Wir müssen den Leichnam exhumieren, den juristischen Kram mit Mexiko regeln. Ich weiß zwar nicht genau, was nötig ist, aber wir werden die ganze Sache irrsinnig beschleunigen, darauf können Sie wetten. Wir werden Ihrer Frau ein anständiges Begräbnis in den Staaten verschaffen. Und dann fangen wir mit unseren Ermittlungen an, dass die Fetzen fliegen – natürlich zusammen mit dem FBI, es wird einen der Ihren unterstützen. Die New Yorker Polizei ist auch dabei, und ich werde dafür sorgen, dass unsere Ressourcen eingesetzt werden, im großen Stil. Wir kriegen diese Drecksäcke dran, das garantiere ich Ihnen.«
Schwer atmend hielt er inne. Pendergast hatte die Augen halb geschlossen; er schien eingeschlafen zu sein. D’Agosta betrachtete ihn. Es war noch schlimmer, als er geglaubt hatte. Und wie er seinen alten Freund und Partner so anschaute, kam ihm eine furchtbare Erkenntnis, die ihn wie ein Stromschlag traf.
»Mamma mia. Sie nehmen was.«
»Wie meinen?«, murmelte Pendergast.
»Drogen.«
Langes Schweigen.
Eine jähe Wut stieg in D’Agosta auf. »Ich hab das schon tausend Mal gesehn. Sie sind auf Droge.«
Pendergast machte eine kleine Handbewegung. »Und?«
»Und? Und? « D’Agosta erhob sich aus dem Stuhl. Er schäumte vor Wut. Er hatte so viel Scheiß gesehen, so viel Tod und Morde und lächerlich sinnloses, von Drogen verursachtes Leid. Er hasste Drogen.
Er fixierte Pendergast. »Ich glaub’s einfach nicht. Ich habe Sie eigentlich für intelligenter gehalten. Wo sind sie?«
Keine Antwort. Nur eine Grimasse.
D’Agosta ertrug das einfach nicht. »Wo sind die Drogen?«, fragte er mit lauterer Stimme. Als Pendergast nicht darauf antwortete, wurde er erst richtig wütend. Er stellte sich vor die Bücherborde und zog ein Buch von einem Brett, dann noch eines. »Wo sind die Drogen?« Er stieß mit dem Handrücken gegen einen der Bonsaibäume und fegte ihn vom Tisch. » Wo sind die Drogen? Ich verlasse die Wohnung erst, wenn ich sie habe. Sie Scheißblödmann!«
»Ihre Arbeiterklasse-Kraftausdrücke haben ihren Charme verloren.«
Zumindest war wieder etwas vom alten Pendergast aufgeblitzt. D’Agosta stand da, zitterte am ganzen Leib und ermahnte sich, seine Wut lieber im Zaum zu halten.
»Die Wohnung hier ist sehr groß, und die meisten Türen sind fest verschlossen.«
D’Agosta drehte fast durch. Er hatte Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Hören Sie, wegen Helen. Ich weiß, welch furchtbare Tragödie –«
Worauf Pendergast ihn unterbrach. In abweisendem Tonfall sagte er: »Erwähnen Sie weder Helens Namen noch, was geschehen ist. Nie wieder.«
»Na gut. Okay. Aber Sie können doch nicht einfach … Ich meine …« Er schüttelte den Kopf, ihm fehlten wirklich die Worte.
»Sie erwähnten, dass Sie Hilfe in einem Mordfall benötigen. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich nicht interessiert bin. Also, falls es nicht noch etwas anderes gibt – darf ich Sie bitten zu gehen?«
Stattdessen ließ sich D’Agosta in einen Sessel fallen und legte die Hände vors Gesicht. Vielleicht war eine Mordermittlung ja genau das, was Pendergast brauchte, um aus seinem seelischen Loch herauszukommen – was er allerdings bezweifelte. Er rieb sich das Gesicht und hob den Kopf. »Lassen Sie mich einfach von dem Fall berichten, okay?«
»Wenn’s sein muss.«
D’Agosta strich sich mit den Händen über die Beine und holte ein paarmal Luft. »Haben Sie die Zeitungen gelesen?«
»Nein.«
»Ich habe hier eine Zusammenfassung des Falls.« D’Agosta zog aus seiner Jackentasche die dreiseitige Zusammenfassung, die er ausgedruckt hatte, und reichte sie Pendergast. Der nahm sie entgegen und warf einen flüchtigen Blick darauf – mit trüben Augen, gleichgültig. Aber er reichte sie nicht sofort zurück; er schaute sie sich weiter an, blätterte um. Dann, nach einem Augenblick, fing er wieder von vorn an und las sie noch einmal,
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