Pendragon - Der Anfang
Wir versuchten alle, ein wenig zu schlafen. Ich ging in die Kabine und legte mich in eine Koje. Trotz meiner Aufregung schlief ich sofort ein. Eigentlich hatte ich mich bloß ein oder zwei Stunden hinlegen wollen, aber ich schlief die ganze Nacht!
Ich erwachte, als das Brummen des Motors immer leiser wurde. Beim Aufstehen stieß ich mir geschickterweise den Kopf an der Decke und kroch fluchend aus der Koje.
Onkel Press, Yenza und Spader standen schon an Deck. Wir schienen ziemlich gut vorangekommen zu sein. Die Sonne war noch nicht aufgegangen; es war stockdunkel, nur die Sterne funkelten am Himmel. Jetzt, da die Motoren schwiegen, herrschte Stille um uns herum. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und erblickte nichts als Wasser.
»Sind wir schon da?«
»Haargenau an der richtigen Stelle«, antwortete Spader.
»Eigenartig«, meinte Yenza. »Laut Karte befinden wir uns über einer riesigen Schlucht, aber meine Instrumente zeigen mir, dass der Ozean an dieser Stelle nicht besonders tief ist.«
»Vielleicht haben wir uns doch geirrt?«, meinte ich zaghaft.
»Auf gar keinen Fall«, entgegnete Spader bestimmt.
Langsam ging ich zum Bug und starrte ins Wasser. Das Meer lag so ruhig vor mir, dass man kaum sah, wo der Horizont aufhörte und das Wasser anfing. Die Sterne, die sich im Meer spiegelten, erschwerten die Sicht.
Die Sterne. Die Sterne! Ich wirbelte herum.
Schnell rannte ich zu den anderen und rief: »Gebt mir die Karte!«
Spader hatte sie zusammengeklebt. Ich hielt sie in die Höhe, sah
zum Horizont hinüber und drehte mich langsam, bis alles übereinstimmte und …
»Ich hab’s!«, rief ich.
»Was hast du?«, fragte Onkel Press.
»Seht nur.« Ich zeigte auf die Karte. »Der gerade Strich steht für den Horizont. Und die vielen Punkte sind …«
»Sterne!«, brüllte Spader dazwischen. »Hobey-ho! Seht nur!«
Es war unglaublich. Die Punkte auf der Karte stimmten haargenau mit den Sternbildern am Himmel überein. Kein Zweifel, wir hatten die richtige Stelle gefunden.
»Was für ein Glück, dass wir nachts angekommen sind«, bemerkte Onkel Press.
»Aber was bedeutet der Halbkreis unter dem Strich?«, fragte ich.
Ich glaube, in diesem Augenblick kam uns allen gleichzeitig die Erleuchtung, denn wir sahen uns erstaunt an. Natürlich wussten wir, was der Halbkreis bedeutete! Wenn die gerade Linie den Horizont symbolisierte, war alles darunter Wasser. Und es gab nur eines, was an dieser Stelle angeblich unter Wasser lag.
»Glaubt ihr das wirklich?«, fragte Spader mit einem Zittern in der Stimme.
»Ich habe schon als Kind von der Stadt Faar gehört«, sagte Yenza ehrfürchtig. »Es soll der schönste Ort auf unserem Planeten sein. Faar ist der Ursprung von Cloral. Wenn ich daran denke, dass es vielleicht mehr ist als nur ein Märchen …« Sie beendete den Satz nicht, als sei der Gedanke zu unglaublich.
»Ob Märchen oder nicht, werden wir gleich herausfinden«, erklärte Onkel Press mit fester Stimme. Er tat so, als handelte es sich um eine x-beliebige Erkundungsfahrt. Wahrscheinlich wollte er, dass Spader und Yenza die Sache möglichst nüchtern betrachteten und sich nicht von den Fantasien und Ängsten ihrer Kindheit leiten ließen.
»Zuerst essen wir etwas«, fuhr er fort. »Dann warten wir, bis die Sicht etwas besser ist, und tauchen ab.«
An Bord befanden sich Dörrobst und eingelegtes Gemüse. Die Vorräte lagerten schon länger hier und konnten daher eigentlich nicht vergiftet sein. Also setzten wir uns auf die Bänke an Deck und frühstückten. Es schmeckte ekelhaft. Wie alte Schuhsohlen. Natürlich habe ich noch nie Schuhsohlen gegessen, doch garantiert schmecken sie wie dieses widerliche Zeug. Da wir aber unbedingt etwas zu uns nehmen mussten, versuchte ich mir vorzustellen, ich würde Chips essen. Chips mit Schuhsohlengeschmack.
Endlich wurde es heller, und schließlich zeigte sich die Sonne am Horizont. Da wir uns auf einem Schnellboot der Aquanier befanden, war es bestens mit Kopfmasken, Wasserschlitten und Harpunen ausgestattet. Wir entschieden, dass Yenza an Bord bleiben sollte, während wir anderen auf Tauchkurs gingen. Wir setzten die Masken auf und schnallten jeder eine Harpune um.
»Wenn uns etwas auffällt, geben wir dir sofort Bescheid«, sagte Onkel Press zu Yenza. »Vergiss eines nicht: Zy Roder besitzt dieselben Informationen wie wir, und ich bin sicher, dass er bereits auf dem Weg hierher ist. Was auch geschieht, leg dich bitte nicht allein mit ihm an.
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