Pendragon - Der Anfang
mindestens so lange. Um mir nicht in die tolle Lederhose zu machen, richtete ich mich auf.
»He«, sagte ich, »ich muss …«
Sobald ich mich bewegte, ging das Mädchen in Angriffsstellung. Sie bückte sich blitzschnell und hielt einen Stock in beiden Händen, den sie anscheinend auf dem Rücken getragen hatte. Er war ungefähr anderthalb Meter lang und ziemlich blank gerieben. Sie hielt ihn ruhig in beiden Händen, und ich bemerkte, dass die Enden dunkel glänzten. Vielleicht hatte sie damit oft genug Dinge getroffen, über die ich keinesfalls nachdenken wollte. Bedrohlicher als der Knüppel war ihr Blick. Er war starr auf das Opfer gerichtet, in diesem Fall auf mich.
Ich erstarrte. Natürlich würde ich nicht aufstehen, denn sie hätte mir den Schädel schneller eingeschlagen, als ich die Füße auf den Boden setzen konnte. Also verharrten wir beide und warteten darauf, dass der andere sich rührte. Eines war sicher: Ich würde mich keinen Millimeter vom Fleck bewegen. Falls sie auch nur einen Schritt auf mich zuging, würde ich kopfüber durch das nächste Fenster springen.
Von draußen erklang eine Stimme: »Buzz obsess woos saga!« Wenigstens hörte es sich so an, und ich habe keine Ahnung, wie es sich schreibt. Dann trat jemand ein. Die Frau trug ähnliche Lederklamotten wie wir; offenbar war das hier große Mode. Eigentlich sah sie wie eine ältere Ausgabe des Mädchens aus, das mich gerade erschlagen wollte. Doch sie hatte etwas an sich, was mich auf eine Retterin hoffen ließ, so kräftig sie auch wirkte. Ich glaube,
es waren ihre Augen. Sie blickten sehr freundlich. Überhaupt nicht wütend. Als sie mich anschaute, wusste ich, es war alles in Ordnung. Sie kam mir bekannt vor, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir uns schon einmal begegnet waren. Die Frau sah das Mädchen streng an, das daraufhin zögernd den Knüppel aus der Hand legte.
Puh, eine Katastrophe war abgewendet.
Jetzt wandte sich die Frau wieder mir zu und sagte: »Verzeih meiner Tochter, sie nimmt sich oft zu ernst.«
Neue Info. Ein Mutter-Tochter-Team. Das hätte mich nicht überraschen sollen, denn die beiden sahen sich wirklich ähnlich. Ich fragte mich, wie wohl der Vater aussah. Bestimmt wie ein Rugbyspieler. Immer noch traute ich mich nicht aufzustehen. Die Frau wirkte ruhig, aber nach allem, was ich erlebt hatte, wollte ich kein Risiko eingehen. Sie kam auf mich zu, kniete neben der Pritsche nieder und lächelte mich freundlich an.
»Ich heiße Osa«, sagte sie ruhig. »Der Name meiner Tochter ist Loor.«
»Ich … ich bin Bobby und stamme nicht von hier«, war alles, was mir einfiel.
Lächelnd antwortete Osa: »Wir auch nicht. Und wir wissen sehr genau, wer du bist, Pendragon. Wir haben dich erwartet.«
Wahnsinn! Sie wusste, wer ich war! Erneut jagten mir eine Million Gedanken durch den Kopf, und wieder drängte sich einer in den Vordergrund. Wenn sie wussten, wer ich war, warum wollte mir die kleine Amazone dann den Schädel einschlagen? Ich hielt es für besser, nicht zu fragen, denn ich wollte Loor nicht reizen. Vielleicht würde sie sonst wieder nach ihrem Stock greifen und mich zu Brei hauen.
»Woher kennst du mich?«, fragte ich.
»Durch Press natürlich«, antwortete sie. »Er hat uns schon viel über dich erzählt.«
Jetzt begriff ich! Ich erinnerte mich, wieso sie mir bekannt vorkam. Onkel Press hatte sie einmal mitgebracht. Wir kannten uns! Damals war mir ihre Schönheit aufgefallen, und ich hatte es seltsam gefunden, dass sie nicht redete. Nun war das Geheimnis gelüftet, sie war Onkel Press’ Freundin. Doch diese Erkenntnis wurde schnell von einem anderen Gedanken verdrängt. Onkel Press steckte in Schwierigkeiten. Wenigstens ging ich davon aus. Diese Rittertypen, die ihn per Lasso davongezerrt hatten, waren mir nicht wie seine besten Freunde erschienen. Ein Adrenalinstoß durchzuckte mich, und ich setzte mich hin.
»Er sitzt in der Klemme!«, rief ich. Ganz schlecht. Nicht das Rufen, sondern das schnelle Hinsetzen. Dank des Schlittenunfalls war mein Körper ein einziger großer Bluterguss. Eine Welle von Schmerzen durchfuhr mich, als würde mich Loor mit ihrem Knüppel windelweich prügeln. Keine Ahnung, warum ich erst jetzt merkte, wie schlecht es mir ging. Es fühlte sich an, als wären alle Rippen gebrochen. Die Schmerzen waren so stark, dass mir die Luft wegblieb. Meine Knie wurden weich, und ich musste mich wieder hinlegen, sonst hätte ich sofort das Bewusstsein verloren. Schnell hielt mich
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