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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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seine Consommé double aus der
weißen Sèvres-Suppentasse trank. Sie sah, wie er dabei die Lippen öffnete und
etwas spitzte – genau das tat er auch, wenn er sie küßte.
    Geoffrey
hatte sie im Garten geküßt, als sie vor dem Essen spazierengegangen waren. Er
hatte den Arm um ihre Taille gelegt und sie fest an sich gepreßt. Er hatte die
Lippen auf ihren Mund gedrückt, und sie wollte aufhören zu atmen und sich ihm
überlassen.
    Ja, das wollte Emma wirklich.
Sie wollte nur glauben, daß sie jetzt alles besaß, was sie haben wollte, daß er alles sein konnte, was sie wollte, daß er ... ... ein anderer sein konnte.
    Shay.
    Und Bria.
    Sie hätte nicht zulassen
dürfen, daß sich Bria und Shay in ihrem Bewußtsein trennten, denn in ihrem
Herzen war das bereits geschehen. Deshalb war sie seitdem verstört und elend
und fühlte sich krank vor Sehnsucht und schrecklich schuldig.
    Ich liebe
ihn.
    Ich will
ihn nicht lieben.
    Sie durfte
dieser falschen und unmöglichen Liebe nicht nachgeben. Es war der Verrat an dem
Menschen, der ihr auf der Welt am wichtigsten war. Sie würde sich weit, weit
weg von ihm begeben müssen. Dann würde kein Mensch jemals etwas von dieser
Liebe erfahren. Es würde ihr Geheimnis sein ... noch eines der Dinge, über die
sie nicht reden und an die sie nicht denken durfte. Und die sie nicht einmal
fühlen durfte.
    Beinahe
eine ganze Woche war vergangen, seit sie im Haus an der Thames Street gewesen
war. Sie würde nicht mehr in der Lage sein, dorthin zurückzukehren. Bria würde
das sehr verletzen. Mit der Zeit würde Bria jedoch denken, Emma habe es
schließlich doch gelangweilt, die einfache Frau zu spielen.
    Aber wie
konnte sie zu Bria gehen und sagen: Ich kann dich nicht mehr besuchen,
obwohl du meine liebste, beste Freundin bist, denn wo du bist, da ist auch
Shay, und ich habe mich in ihn verliebt. Verstehst du, Bria, ich liebe deinen
Mann.
    Emma sah Geoffrey, ihren Zukünftigen,
wieder nachdenklich an. Wie immer war er tadellos gekleidet. Sein schwarzer
Frack wirkte gleichzeitig dezent und doch unverkennbar teuer. Die schwarzen
Perlen der Manschetten, die Westenknöpfe und die Krawattennadel waren elegant,
aber nicht zu auffällig.
    Emma hörte, wie ihre Mutter
gerade zu ihrem Onkel, dem Arzt, sagte, auf Geoffrey könne man bauen. Er sei so
solide wie die Mauern der Spinnereien, die ihm gehörten.
    Emma gestand sich schuldbewußt
ein, ungerecht gegen Geoffrey zu sein, wenn sie ihm vorwarf, daß er genauso
war, wie man es von ihm erwartete – ohne eigene Persönlichkeit.
    Sie griff
nach dem Weinglas und bemerkte das leichte Stirnrunzeln ihrer Mutter. Deshalb
stellte sie das Glas wieder ab. Die Regeln diktierten, daß sie pro Gang nicht
mehr als zwei Schlucke trank. Und Mama zählte an diesem Abend offenbar sehr
genau.
    Ihre
Mutter hatte so viele Diamanten angelegt, daß sie wie die Milchstraße funkelte
– Diamantringe, Diamantarmbänder, eine Diamantbrosche und ein
Diamantdiadem. Am meisten glitzerte die zwölfreihige Diamantkette, die über
ihren Ausschnitt fiel.
    Vielleicht, dachte Emma mit
einem leichten Anflug von Trauer, hofft Mama, das Funkeln der Diamanten werde
die schwarzen Löcher überstrahlen, die alle Mitglieder der Familie zurückgelassen
haben, die davongelaufen sind oder die man dazu gebracht hat, das Haus nie mehr
zu betreten.
    Aber Mama
würde immer ihre Pflicht erfüllen, ganz gleich, wer darunter zu leiden hatte
und welcher Preis dafür zu zahlen war. Emma hatte gehört, wie Geoffreys
Großmutter vor dem Essen Mrs. Longworth zugeflüstert hatte, ihr Pflichtgefühl
konserviere Bethel wie einen Salzhering. Wahrscheinlich werde sie deshalb alle
überleben. Emma wußte, ihre Pflicht als eine Tremayne bestand darin, sich gut
zu verheiraten und eine Ehefrau zu werden, auf die ein grundsolider Mann wie
Geoffrey Alcott stolz sein konnte. Sie sollte das geordnete Leben führen, das
sie an seiner Seite zweifellos haben würde.
    Sie hörte,
wie Geoffrey mit seinem Tischnachbarn redete. Er sprach wie üblich leise und
tonlos, ohne ungebührliche Aufmerksamkeit zu erregen. Er redete darüber, daß er
den Sommer in Maine verbringen werde, um dort eine Gießerei zu bauen.
    Hatte er
ihr das schon erzählt? Emma konnte sich nicht daran erinnern. Im Laufe des Frühjahrs
war ihr aufgefallen, daß sie viele Stunden lang zusammen im selben Raum sein
konnten, ohne ein einziges Wort miteinander zu sprechen. Natürlich unterhielt
sich bei gesellschaftlichen Anlässen niemand mit seinem Mann

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