Penelope Williamson
niemals Salzkrusten am Messing oder Flecken auf dem glänzenden
Teakdeck. Es kostete auch mehr Geld, als er jemals träumen konnte zu haben.
»Und Sie segeln es sehr geschickt.«
Sie lächelte verstohlen, wobei
sie darauf achtete, daß ihr Gesicht abgewandt blieb. Der Wind hatte sie
gezwungen, den Hut abzusetzen, und ihre Frisur hatte sich aufgelöst, so daß
ihr die meisten Haare frei um den Kopf flogen.
»Wir
Tremaynes behaupten gern, wir hätten Salzwasser in den Adern«, sagte sie. »Mein
Vater hat mir das Segeln beigebracht. Er nahm mich mit aufs Wasser, sobald ich
laufen konnte. Mit sechs bin ich bereits mit meinem ersten Boot gekentert,
einem kleinen DreiMeter-Boot. Mir gebührt der Ruhm, die jüngste Tremayne zu
sein, die jemals ihren eigenen Schiffbruch verursacht und überlebt hat.«
Er mußte
lachen. Manchmal überraschte sie ihn mit den Dingen, die sie sagte. »Ich bin
noch besser als Sie, Miss Tremayne. Eines Tages ist meine Mutter aufs Meer
hinausgefahren, um Pilchards zu fangen, und hat statt dessen mich
zurückgebracht.«
Er hatte
festgestellt, daß sie unverwechselbare Eigenheiten hatte: Wenn sie etwas sagen
oder tun wollte, was sie für besonders kühn hielt, bekam sie an einem
Mundwinkel ein Grübchen. »Ich nehme an, Sie werden mir gleich erzählen, daß die
Feen Sie Ihren Eltern in einem Binsenboot gebracht haben, als eine Art irischer
Moses.«
»Nicht auf
so wunderbare Weise«, erwiderte er und schüttelte den Kopf. »Meine Mutter war
an jenem Tag mit dem Boot hinausgefahren, denn mein Vater hatte sich am Abend
zuvor völlig betrunken.
Ich bin früh und überraschend
auf die Welt gekommen. Das hat man mir zumindest gesagt. Sie war zu weit
draußen, um zurückzufahren, und deshalb mußte sie sich zuerst um sich selbst
kümmern und dann um mich.«
Sie sah ihn an. Er hatte noch
immer nicht entscheiden können, welche Farbe ihre Augen hatten, ob sie grau
waren, blau oder grün. Sie veränderten sich wie das Meer bei wechselhaftem
Wetter. »Sie muß eine sehr tapfere Frau gewesen sein.«
»Ich
erinnere mich nicht so sehr daran, daß sie tapfer gewesen wäre, sondern ...« Er
zuckte die Schultern. »... sondern verzweifelt«, sagte er und fragte sich,
wieso er ihr diese Enthüllung gemacht hatte. Er gestand sogar sich selbst
solche Gedanken nur selten ein.
Shay riß
sich schließlich von ihrem Anblick, von ihren Augen los und spürte beinahe
einen körperlichen Schmerz, obwohl er nicht hätte sagen können, weshalb. Er
musterte die Segel, weil er hoffte, sie müßten gestrafft werden, doch das war
nicht nötig. Plötzlich wußte er nicht mehr so recht, was er mit seinen Händen
anfangen sollte. »Ich denke, die Muscheln sind bald gar«, hörte er sie sagen.
»Würden Sie das Ruder übernehmen und zurücksegeln, Mr. McKenna?«
Er
salutierte spöttisch: »Aye-aye, Käptn.«
Er griff gerade
nach dem Ruder, als sich das Boot unter einem heftigen Windstoß neigte. Emma
war im Begriff, ihm Platz zu machen. Sie faßte schnell wieder an das Steuer,
um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und ihre Hand lag auf seiner.
Er
gestattete sich einen kurzen Augenblick, ihre Hand auf seiner Hand zu spüren.
Dann zog er seine Hand weg, und damit war es zu Ende.
Es ist kein sinnliches
Verlangen, sagte er sich. Shay staunte über sich, denn er konnte sich nicht
vorstellen, daß er sie auf den Rücken legen und nehmen würde, wie ein Mann eine
Frau nahm, die er haben wollte – hart, heftig und gierig.
Und er liebte Bria. Dessen war
er sich sicher. Liebe war Lachen, Tanzen und Arbeiten. Liebe war, sich Sorgen
machen und streiten, sich versöhnen und Kinder zeugen.
Dies ist
etwas anderes, was immer es auch sein mag.
Zwanzigstes Kapitel
»Wir haben
vor der Parade noch etwas Zeit«, sagte Bria. »Warum gehen wir nicht an der
Sporthalle vorbei und fragen Shay, ob er mitkommen will?«
Sie tat
so, als bemerke sie Emmas erschrockenen Gesichtsausdruck nicht. Schnell beugte
sie sich über den Kinderwagen und machte sich an Jackos Decken zu schaffen. Der
lackierte Korbwagen war mit blauem Seidenplüsch gepolstert und innen mit
Rohrgeflecht ausgekleidet. Überdacht wurde er von einem mit Satin
abgefütterten Sonnenschirm, der Seidenfransen hatte. Das Gefährt rollte auf luxuriösen
Nickelfedern und Stahlrädern. Der Kinderwagen war Emmas Taufgeschenk gewesen.
Mit Sicherheit war noch nie ein Kind aus Gortadoo so elegant durch die Welt
gefahren.
»Es schickt sich nicht«, sagte
Emma nach einem kurzen Schweigen und
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