Penelope Williamson
fügte dann hinzu: »Eine Dame darf nicht an
einem Ort wie der Sporthalle gesehen werden.«
Bria
lächelte spöttisch. »Ich nehme an, die Welt fürchtet, daß der Anblick von ein
paar schwitzenden und keuchenden Männern mit Hängebäuchen uns in lüsterne
Sirenen verwandelt, die sie mit den Augen verschlingen.«
»0 Bria!« Emma gelang sogar ein
Lachen, auch wenn es ein wenig unsicher klang. »Es ist nur ...«
Es ist nur, dachte Bria, daß es
dir immer schwerer fällt, mo Bhanacharaid, in seiner Nähe zu sein, nahe
genug, daß du ihn siehst und ihn sogar berühren könntest. In seiner Nähe
leidest du, weil du dir nicht erlauben darfst, ihn zu lieben.
Bria richtete sich auf und
legte Emma die Hand auf den Arm. Ihre Augen wurden weich. In ihnen lag noch die
stumme Bitte, obwohl sie sich innerlich so schlecht fühlte, daß sie die
notwendigen Worte nicht hervorbrachte. Was sie tat, hielt sie für verschlagen.
Und das Ganze fiel ihr schwer. Es war einfach zu schwer.
Doch dann sagte Noreen: »Lassen
Sie uns bitte zu Papa gehen, Miss Emma.« Merry schloß sich sofort mit einem
Summen an, das wie ein Miauen klang.
Emma biß sich auf die Lippen
und blickte auf ihre Hände, die sie in Höhe der Taille gefaltet hatte. »Nun ja
...«
Bria
atmete erleichtert auf und hängte sich bei Emma ein. »Also abgemacht. Noreen,
du kannst den Kinderwagen schieben. Merry, ich nehme dich an der Hand.« Sie
gingen zusammen auf dem von Veilchen eingefaßten Pfad zur Thames Street und in
Richtung der Wohnviertel.
Seit dem
Picknick war viel Zeit vergangen. Genauer gesagt, war es eine Woche her, daß
Bria breitbeinig im Sand gestanden, sich gegen den heftigen Wind gestemmt und
auf die beiden gewartet hatte. Sie bekam es mit der Angst zu tun, als der Wind
böig wurde. Sie konnte das Boot gut sehen. Sie hatte es die ganze Zeit nicht
aus den Augen gelassen. Doch plötzlich neigte es sich so weit zur Seite, daß
die Segel dicht über dem weißen Schaumkronen der Wellen dahinzugleiten
schienen.
Bria hielt den kleinen Jacko so
fest in den Armen, daß er zu weinen anfing. Merry stand neben ihr und summte
aufgeregt. Noreen rannte auf den Landungssteg, hüpfte auf und ab und winkte,
als die Schaluppe endlich die Segel strich und auf die Pfähle zusteuerte.
»Papa!«
rief sie, und ihre helle Stimme erhob sich über den Wind. »Wir haben dir beim
Segeln zugesehen. Als der Wind so stark geworden ist, warst du ganz schnell!
Aber Mama hat gesagt, es gibt keinen besseren Seemann als dich!«
»Gibt es auch nicht«, hörte
Bria ihn rufen. »Außer vielleicht Miss Tremayne. Sie hat Salzwasser anstelle
von Blut in den Adern, und der Wind ist ihr rechtmäßiger Liebhaber.«
Bria
beobachtete, wie Shay auf den Landungssteg sprang und das Boot festmachte. Sie
hörte das Quietschen einer Kurbel und das Aufklatschen eines Taus auf ein
Segel. Emma stand an Deck und beschäftigte sich mit den Segeln. Ihre
Wangen waren gerötet, aber das konnte vom Wind kommen.
Shay sprang
auf den Strand, lief zu Bria und küßte sie liebevoll. »Wozu sollen die gut
sein?« fragte er und rieb mit den Daumen über ihre Wangen, als wollte er alle
ihre Tränen sammeln und aufbewahren.
»Es war so windig, und ich
hatte solche Angst. Ich hatte Angst, euch beide zu verlieren.«
Sie
glaubte zu sehen, wie sich tief in seinen Augen etwas bewegte. Aber es war so
schnell vorbei, daß sie wußte, sie würde niemals mit Bestimmtheit wissen, ob
sie es tatsächlich gesehen hatte. »Du hast uns nicht verloren«, murmelte er und
wiederholte dann noch leiser: »Nein, das hast du nicht.«
»Ich habe euch nicht verloren ... oder?«
Sie kannte ihn so gut, sie
kannte beide so gut. Als sie Shay und Emma allein auf die Bootsfahrt geschickt
hatte, wußte sie, daß nichts geschehen würde.
Und eines Tages alles geschehen konnte.
Die Sporthalle war vor langer Zeit ein Versammlungshaus der
Quäker gewesen. An diesem Sonntagnachmittag wurde dort allerdings nicht das
Lob des Herrn gesungen. Von der massiven Holzdecke hallte das Knallen von
Fäusten wider, die Leder trafen, das Klatschen eines Springseils auf dem alten
Balkenboden und das dröhnende Poltern fallender Hanteln. In dem alten
Versammlungssaal hing ein Schleier von Zigarrenrauch, und es roch nach Schweiß.
Sie fanden Shay am Sandsack.
Seine Füße tanzten, seine Schultern bewegten sich auf und ab, hin und her.
Seine Muskeln zogen sich blitzschnell zusammen und streckten sich geschmeidig.
Seine Fäuste hämmerten wie Kolben, so schnell,
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