Penelope Williamson
fürchte, ich werde mir sehr viel eher eine
Pilzvergiftung holen, als einen Kobold sehen«, erwiderte sie und lachte so
hell, daß Brias Herz einen Schlag aussetzte.
Emma ging hinter den beiden
Mädchen her und beugte sich vor, um zuzusehen, wie Noreen unter jeden
Fliegenpilz spähte. Dabei redete sie ernsthaft über die Lebensgewohnheiten der
Kobolde. Merry hielt wie üblich den Mund, doch sie lächelte glücklich.
Wenn du
einen Kobold fängst ...
Doch Emma
war bereits so reich, wozu brauchte sie noch mehr Schätze? Als Bria an Emmas
Geld dachte, an ihre Stellung in der vornehmen Welt, begriff sie, wie verrückt
ihre Gedanken waren, wie närrisch die Träume, die sich heimlich in ihrem Herzen
regten. Emma sollte Shay heiraten und ihn glücklich machen, wie nur eine Frau
einen Mann glücklich machen kann, die ihn mit allen Fasern ihres Wesens und nur
ihn allein liebt. Emma würde ihren beiden Töchtern ein Mutter sein, die sie aus
der Fabrik herausholte, sie zur Schule schickte, sie in Spitze und Satin
kleidete und später einmal anständige wohlhabende Männer für sie fand. Emma
konnte dann anstelle von Bria den kleinen Jacko zu einem Gentleman erziehen,
mit all den gepflegten Umgangsformen und Manieren und mit all den Privilegien.
Emma würde Shay heiraten und Brias
Töchtern und ihrem Sohn eine Mutter sein ...
Aber für
Emma wäre es eine Schande, einen irischen Fischer zu heiraten, so wie es für
Bria O'Reilli eine Schande gewesen wäre, den Sohn eines fahrenden
Kesselflickers zu heiraten. Es würde bedeuten, daß Emma alles verlor, was sie
in ihrer Welt besaß. Es bedurfte einer sehr großen Liebe, um solch einen hohen
Preis für die Erfüllung ihrer Träume zu bezahlen. Doch Bria war sicher, Emmas
Liebe war groß und stark. Sie hatte es in Emmas Augen gesehen.
Emma würde
Shay heiraten ...
Der Gedanke
schmerzte – wie konnte es anders sein? Doch Bria mußte an Shay denken und an
die Kinder. Ihre Liebe war grenzenlos, so stark und so alt wie die Erde. Diese
Liebe würde noch lange leben, auch wenn Bria körperlich tot war. Manchmal war
es hart, daran zu denken, daß alle, die sie liebte, ohne sie weiterleben
würden. Doch für die Gewißheit, daß Shay und die Kinder wieder glücklich werden
konnten, würde sie alles tun und alles ertragen.
Sie waren inzwischen weit
gegangen, und es fiel Bria immer schwerer zu verheimlichen, wie schwach sie
sich mit einem Mal fühlte, wie sie nach Luft rang und wie unregelmäßig ihr Atem
ging.
Die
Kardinalsblumen, die zwischen den Bäumen leuchteten, verschwammen vor ihren
Augen. Shay deutete auf ein schwarzes Stachelschwein, dessen Stacheln weiße
Spitzen hatten. Es döste auf einem Stein und sonnte sich. Bria nickte, lächelte
und biß die Zähne zusammen. Sie sah die grelle Sonne über dem Wasser und wußte,
daß es heiß war, doch ihr war so kalt, so schrecklich kalt.
Der Husten setzte ein und
drohte, ihr die Brust zu zerreißen – schleimiger, gurgelnder blutiger Husten.
Unter seiner schmerzhaften Wucht beugte sie sich vor und versuchte, ihn mit dem
Taschentuch zurückzuhalten. Als der Anfall vorüber war, blickte sie auf und sah
ihre Lieben. In ihren Gesichter spiegelten sich Angst und lähmende
Beklommenheit.
Shay und
Emma standen beisammen, aber zu weit voneinander entfernt, um sich berühren zu
können. Solange Bria lebte, würden sie immer entfernt voneinander stehen. Aber
sie starb, sie würde bald tot sein, und die beiden würden einander brauchen, um
sich gegenseitig zu stützen.
In Irland sagt man, ein
sterbender Barde kann seine Musik weitergeben, aber nur an einen geliebten
Freund.
Eine Horde lärmender zerlumpter Jungen rannte über das sonnenverbrannte
Gras der Stadtwiese von Bristol. Sie bliesen in Fischhörner und Muscheln.
Einer von ihnen warf einen brennenden Feuerwerkskörper unter den
Musikpavillon. Er explodierte mit einem lauten
Knall und viel Rauch und zerriß dabei die rotweißblaue Girlande.
Emma zuckte bei dem Lärm
unwillkürlich erschrocken zusammen, mußte aber im nächsten Augenblick über sich
selbst lachen.
»Mein armer Liebling«, sagte
Geoffrey und streichelte fürsorglich ihre Hand, die sie vor Schreck auf seinen
Arm gelegt hatte. »Bist du sehr erschrocken?«
Er blickte
vorwurfsvoll auf den Übeltäter. Der Knallfrosch war nicht die erste Attacke,
die der Pavillon an diesem Tag hatte erdulden müssen. »Diese nichtswürdigen
Halunken! Das kommt davon, wenn man ihnen einen Tag frei gibt. Es müßte ein
Gesetz geben, das
Weitere Kostenlose Bücher