Penelope Williamson
blaßrosa Blütenblätter wie Tränen lautlos
ins Gras.
Sie
dachte, ich war mit meinem Geliebten zusammen.
Bei diesem
Gedanken mußte sie lächeln. Doch als sie das Gesicht der Bucht zuwandte, und
der Wind sie wie die Finger des Geliebten liebkoste, spürte sie, daß ihre
Wangen feucht von Tränen waren. Seufzend drehte sie sich um, stieg die Treppe
nach oben, ging über die breite Terrasse und öffnete die Ebenholztür mit ihren
Kassetten. Dabei bewegte sie sich so vorsichtig, als gehe sie über Eis.
Carrews, der Butler, erschien
in seiner stummen, unaufdringlichen Art, als sie hinauf in ihr Zimmer gehen
wollte. »Man erwartet Sie im vorderen Salon, Miss Emma«, sagte er.
Sie
dachte, daß sie ihn vermutlich seltsam ansah. Sie fühlte sich benommen und war
so verwirrt, als sei sie plötzlich in die Luft gehoben und an einem Platz
wieder abgesetzt worden, an dem sie noch nie zuvor gewesen war. »Aber zum
Abendessen sind heute doch keine Gäste eingeladen«, sagte sie schließlich.
Carrews
nahm das Kinn zurück und ließ die Augenbrauen sinken. Das tat er immer, wenn
die Konventionen nicht zu seiner Zufriedenheit befolgt wurden. »Ich habe den
Eindruck, daß im Augenblick nur Mr. Alcott anwesend ist, und er ist nicht für
ein Abendessen gekleidet.«
Tatsächlich
hörte sie Geoffreys leise ausdruckslose Stimme, als sie sich der von
Damastportieren umrahmten Tür des Salons näherte. Die Türflügel waren nicht
ganz geschlossen, und einen Augenblick lang stand sie, von den schweren grünen
Portieren verborgen, im Gang und blickte auf ihre Mutter und den Mann, den zu heiraten sie
versprochen hatte.
Sie saßen
auf den Chippendale-Stühlen mit den gedrechselten Rükkenlehnen. Auf der
antiken chinesischen Rosenholztruhe stand eine reich verzierte silberne
Kaffeekanne aus der Zeit von George II. Der Kaffee mußte frisch zubereitet
worden sein, denn aus der Tülle stieg Dampf. Sie benutzten das
Sèvres-Porzellan, was bedeutete, Mama fand den Anlaß wichtig genug, um das
kostbarste Geschirr zu verwenden, selbst wenn Geoffrey ausnahmsweise einmal
nicht entsprechend gekleidet war.
Sein
weißer Leinenanzug war, bei Geoffrey kaum vorstellbar, mit Ruß verschmiert. Der
flache Strohhut lag auf seinen Knien, und der Rand war an einer Seite aufwärts
gebogen, so als hielte Geoffrey ihn umklammert.
Er war zur
Zeit des Feuers in Maine gewesen und hatte einige Zeit gebraucht, um
zurückzukommen. Vermutlich kam er gerade aus der Spinnerei, die von dem Brand
schwer beschädigt worden war. Doch wie sie von Mama wußte, waren Gebäude und
Maschinen alle versichert. Mama hatte in ihrer Furcht vor der gesellschaftlich
peinlichen Lage, in die sie ein plötzlicher Bankrott des Verlobten ihrer
Tochter gebracht hätte, natürlich bei dem Vetter ihres Mannes, dem Bankier,
bereits Erkundigungen eingezogen.
Doch es
erschien Emma seltsam, Geoffrey Alcott, ihren Zukünftigen, hier im Salon zu
sehen. Es kam ihr merkwürdig vor, daß das Leben auf die alte Weise weiterging,
während sie sich so sehr verändert hatte. Alles sollte beim alten bleiben,
obwohl sich unter dem Kleid aus weißem Musselin und Spitze, unter dem mit
Jersey bezogenen Korsett und dem französischen Unterhemd mit den bestickten
Biesen ... obwohl sich unter all den Kleidern, die zum Erscheinungsbild von
Miss Emma Tremayne gehörten, auf ihrer rechten Brust ein rotes Mal befand, das
Shay McKennas Mund dort hinterlassen hatte.
Wie sollte es möglich sein, daß das Leben auf die alte
Weise weiterging, während sie zwischen den Beinen noch feucht von ihrem
Zusammensein war und sie Shay an ihrem Körper riechen konnte. Emma mußte ein
Geräusch gemacht haben, denn Geoffrey blickte hoch
und sah sie. Er sprang nicht auf und eilte ihr entgegen, denn ein solches
Benehmen wäre unschicklich gewesen – selbst für einen Mann, der seine Verlobte
seit über zwei Wochen nicht gesehen hatte. Doch er erhob sich auf seine
wohlerzogene Art, kam zu ihr, ergriff ihre Hände und führte sie in den Salon.
»Emma,
Liebling«, sagte er. »Ich bin hierher geeilt, sobald ich es erfahren habe. Du
bist doch nicht verletzt? Sag mir, daß dir nichts geschehen ist.«
Sie
stolperte, so daß er ihr die Hand unter den Ellbogen legen mußte, um sie zu
stützen. Sie fühlte sich wieder benommen und schwindlig, blickte zu ihm auf und
begriff erst dann, daß er von dem Brand sprach.
»Nein, ich
... ich habe mir nur die Hand etwas verbrannt. Direkt nach mir ist ein
Feuerwehrmann ins Büro gekommen und hat
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