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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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die bei der Fuchsjagd im vergangenen Monat ihr
verunglücktes Kind anklagend der Jagdgesellschaft vorgezeigt hatte. Seine liebe
kleine Emma hatte schon immer großes Mitgefühl für alle Geschöpfe Gottes, sogar
für die Iren. Er setzte sich neben sie und näherte seinen Kopf dem ihren. Sie
duftete nach Fliederparfüm und dem Meer. Behutsam nahm er ihre Hand, die sie
zur Faust geballt im Schoß hielt, und löste einen Finger nach dem anderen.
»Nein, die Kinder werden bestimmt nicht von den Maschinen verschlungen. Du
erlaubst deiner Phantasie mit dir durchzugehen.«
    Stuart
stieß einen Laut aus, der halb wie ein Schnauben und halb wie ein Lachen klang.
Er stand inzwischen am Kamin und stützte sich mit eleganter Lässigkeit auf den
Sims. Aber Geoffrey war entschlossen, ihn nicht mehr zu beachten. Er blickte
nur noch in Emmas Gesicht und in ihre Augen, die jetzt die Farbe des Meeres an
einem stürmischen Tag hatten. Er zweifelte nicht daran, daß er sie kannte,
aber manchmal glaubte er tief in ihrem Innern eine kleine weiße Flamme
wahrzunehmen, die sie verzehrte.
    Emma
entzog ihm die Hand. »Nach der Besichtigung hatte ich ein sehr aufschlußreiches
Gespräch mit Mr. Stipple. Ich habe von ihm erfahren, daß du diesen armen
Kindern nur einen Dollar fünfzig die Woche zahlst. Niemand kann von einer so
jämmerlichen Summe leben. Es ist lächerlich und grausam, das zu glauben.«
    »Für sie ist es wohl kaum eine
jämmerliche Summe. Schon bei ihrer Geburt stand fest, daß sie von kaum mehr als
von Kartoffelschalen würden leben müssen.«
    Emma
umklammerte den Griff des Sonnenschirms so fest, daß ihr Handgelenk über dem
Handschuh ganz weiß wurde. Mit großen Augen sah sie sich in der Bibliothek um,
als werde ihr plötzlich bewußt, daß sie sich im falschen Haus befand.
    Als ihr Blick sich wieder auf
ihn richtete, funkelten ihre Augen. »Ich glaube, diese Seite an dir verachte
ich, Geoffrey Alcott.«
    Stuart schnaubte noch einmal.
»Sie hat nicht nur Phantasie, sondern auch einen scharfen Blick. Das ist
wahrhaft eine tödliche Kombination, Geoffrey.« Er lachte. »Ich wiederhole:
Tödlich!«
    Geoffrey
wollte wieder nach ihrer Hand greifen, aber sie entzog sie ihm. »Findest du
nicht, daß dein Urteil ungerecht ist, Emma? Diese Menschen kommen ohne Geld und
ungebildet aus ihrem bitter armen Land, und ich gebe ihnen Arbeit. Hier können
sie die wahren christlichen Tugenden lernen und ernten die Früchte ehrlicher Arbeit.«
    »Und was
sagen die Gesetze dazu?«
    Geoffrey
konnte die Augen nicht von ihrer bebenden Unterlippe wenden. Ihn bezauberte die
Art, wie sich ihre Brust vor Erregung hob und senkte. Er war so sehr in den
Anblick versunken, daß er die Konzentration verlor und nicht mehr auf ihre
Worte und den Fluß seiner Gedanken achtete. »Gesetze?«
    Sie stand
auf und ging ein paar Schritte durch den Raum. Dann drehte sie sich
entschlossen um, kam zurück und setzte sich wieder neben ihn. »Die Gesetze
verbieten, daß Kinder unter zwölf Jahren in Spinnereien arbeiten. Geoffrey,
wenn dort auch nur ein Kind älter als zwölf war, dann würde es mich
überraschen.«
    »Ihre Eltern sind für die
Altersangaben verantwortlich. Wenn sie aus Irland hierherkommen, tragen sie
ihre Geburtsurkunden nicht an einer Schnur um den Hals. Außerdem sind die
meisten älter als es den Anschein haben mag.«
    »Mahlzeiten aus
Kartoffelschalen«, warf Stuart ironisch ein, »fördern nicht gerade das
Wachstum.«
    Geoffrey wollte seinem Bruder
sagen, er solle gefälligst den Mund halten, aber er biß sich auf die Lippen und
griff wieder nach Emmas Hand. Diesmal entzog sie ihm die Hand nicht.
    Ihre Finger
zitterten wie ein Vogel mit gebrochenen Flügeln. In ihrem Gesicht spiegelte
sich ein solcher Aufruhr der Gefühle, daß er Mühe hatte, sie zu entschlüsseln –
Vorwurf, Kummer und Schmerz. Plötzlich kam ihm die leicht erschreckende
Erkenntnis, daß er sie vielleicht doch nicht so gut kannte, wie er geglaubt
hatte. Ihm war es immer so vorgekommen, als warte sie bloß auf etwas. Und bis
zu diesem Augenblick hatte er immer angenommen, dieses Etwas sei er.
    »Behandle mich nicht, als sei
ich eine dumme Gans«, sagte Emma. »Der verunglückte Junge war bestimmt nicht
älter als sechs.«
    Er legte
seine andere Hand auf ihre, um sie zu beruhigen. »Zufälligerweise habe ich
einen Bericht mit Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den
Spinnereien in Auftrag gegeben«, erwiderte er wahrheitsgemäß, obwohl die
Schwerpunkte des

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