Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
deprimierende Art und Weise begonnen wie die vorherige titellose Spielzeit. Die Kritik aus allen Richtungen wurde lauter, und im Lauf der Saison verlor der Trainer nach und nach den Respekt seiner Mannschaft.
Ronaldinho gab sich immer introvertierter und nahm von niemandem mehr Anweisungen entgegen. Hinter medizinischen Stellungnahmen, die von einem »Magen-Darm-Katarrh« sprachen, verheimlichte der Klub, dass der Brasilianer nicht zum Training erschienen war. Zur Saisonmitte war er öfter »im Kraftraum« oder »indisponiert« gewesen als zum Training gekommen.
Der Brasilianer tauchte oft in der Kleidung, in der er die ganze Nacht durchgefeiert hatte, in der Kabine auf, wie Lluís Canut in seinem Buch Els secrets del Bar Ç a berichtet. Während des Trainings wurde er häufig in einem abgedunkelten Raum des Trainingsgeländes auf einem Massagetisch schlafend angetroffen, und um alles noch schlimmer zu machen, wurde bekannt, dass Ronaldinho mit einer von Rijkaards Töchtern eine Beziehung hatte.
Deco erschien mehr als einmal zum Training, ohne geschlafen zu haben, weil er sein krankes Kind ins Krankenhaus gebracht hatte. Es ist vielleicht nicht die größte Sünde, wenn einem die Gesundheit des eigenen Kindes wichtiger ist als der Beruf, aber Decos Trennung von seiner Frau, eine von zehn Trennungen oder Scheidungen innerhalb der Mannschaft, war seiner Konzentration nicht förderlich. Auch Rafa Márquez setzte sich ab und besuchte seine Freundin Jaydy Mitchell oft nach dem Training und gelegentlich auch mit Übernachtung – was kein Problem gewesen wäre, wenn sie nicht gerade in Madrid gewohnt hätte. Thiago Motta erlebte einmal einen so großartigen Abend, dass aus dem einem Abend gleich zwei wurden und der Klub buchstäblich einen Suchtrupp losschicken musste, der herausfinden sollte, wo er gelandet war. Der Brasilianer entging in diesem Fall seiner Strafe nicht. Er wurde so etwas wie ein Sündenbock für einen anderen, der sich einen Ruf als »Samba«-Talent erwarb: Ronaldinho.
Barcelona lag nach einer 0:1-Heimniederlage gegen Real Madrid nach der Hälfte der Saison sieben Punkte hinter dem Tabellenführer. Bereits im Herbst wurde unter Vorstandsmitgliedern gemurrt, jetzt sei energisches Handeln gefragt, und es sei das Beste, die undisziplinierten Ronaldinho, Deco und Eto’o loszuwerden. Die Dynamik sollte auf eine jüngere, hungrigere, ehrgeizigere Generation übertragen werden, die von Lionel Messi angeführt wurde. Die Vorstandsherren bezweifelten auch, dass Rijkaard der richtige Mann an der Spitze der neuen Rangordnung war. Der Präsident unterstützte den Holländer jedoch in der Öffentlichkeit wie auch privat.
Guardiola wurde inoffiziell von Spielern der ersten Mannschaft und Laporta-Verbündeten über die Situation unterrichtet. Einer der Informanten deutete im Oktober gegenüber Pep sogar an, die Möglichkeit, dass er Trainer der ersten Mannschaft wird, werde hinter den Kulissen mit zunehmendem Ernst diskutiert: »Dein Name wurde bei einer Vorstandssitzung nicht offiziell genannt, und du hast das nicht von mir gehört, aber du wirst in der nächsten Saison Barcelonas Cheftrainer sein.« Einer der Direktoren nannte schließlich Anfang November Peps Namen bei einer Vorstandssitzung und schlug vor, Rijkaard durch den Trainer des B-Teams abzulösen. Beguiristain war allerdings dagegen, Pep inmitten einer Krise und bereits nach einer Saisonhälfte ins kalte Wasser zu werfen. Für einen relativ unerfahrenen Trainer war das seiner Ansicht nach zu viel und zu früh.
Nicht alle Anwesenden stimmten Beguiristain zu. Johan Cruyff war jetzt überzeugt, dass es für die erste Mannschaft keinen Weg zurück gab und eine Veränderung nötig war. Marco van Basten kam nicht infrage – er stand kurz vor einem Vertragsabschluss als Trainer von Ajax Amsterdam –, also traf Cruyff sich mit Bar Ç as Sportdirektor, um mit diesem Peps Potenzial zu erörtern. Der ehemalige Dream-Team-Trainer sah sich anschließend selbst an, wie Guardiola arbeitete. Er besuchte ihn im Mini Estadi, um ihn und das B-Team einschätzen zu können, bevor er mit ihm zu Mittag aß und über Fußball sprach. Später schickte Cruyff dann eine Nachricht an Laporta: »Pep ist so weit. Er sieht den Fußball mit absoluter Klarheit.« Der Präsident blieb allerdings unsicher, er glaubte und hoffte – allen Hinweisen zum Trotz, die auf das Gegenteil hindeuteten –, dass Rijkaard die Wende schaffen und den alten Zauber von Ronaldinho und Co.
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