Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
dünnen Brauen floß.
»Oh, Pepiño, ich platze gleich vor Hitze. Wenn ich doch auch so einen schlauen Job hätte wie du! Schieß los!«
»Ich bin auf der Suche nach einem Ertrunkenen. Er tauchte vor ein paar Tagen am Strand auf, und ich muß wissen, wer er ist. Die Polizei hat keine Beschreibung gegeben. Er hatte eine Tätowierung:
Ich bin geboren, das Inferno aus den Angeln zu heben
.«
»Wegen dem Ertrunkenen da haben sie einen ganz schönen Wirbel gemacht. Die Polizei hat das ganze Viertel auf den Kopf gestellt. Nur durch ein Wunder ist mein Bruder nicht im Bau gelandet.«
»Was weißt du darüber?«
»Niemand hat die geringste Ahnung. Das hängt alles zusammen mit Rauschgift und den französischen Mackern, die ihre Nutten sogar aus Kamerun mitgebracht haben. Aber niemand weiß, wo das anfängt und wo es aufhört.«
»Weißt du, wie der Ertrunkene heißt?«
»Nein. Das kann ich auch nicht rauskriegen. Die nächsten vierzehn Tage werd’ ich nur malochen. Ich geh’ mit den Kindern zu den Ponys und helfe meiner Frau beim Wollewickeln, damit sie mir für den Winter einen Pulli stricken kann. Weil ich nämlich von den letzten zehn Jahren sieben im Knast abgesessen habe.«
Carvalho hatte Ginés während einer Haftstrafe im Gefängnis von Aridel kennengelernt. Ginés saß damals, weil er einem Nachtwächter mit einem Stuhlbein den Arm gebrochen hatte.
»Meinst du, Felix weiß etwas?«
»Der war der erste, der seine 150 Kilo unter Tage versteckt hat.«
»Der Valencia?«
»Der ist heute bedröhnt und morgen nicht zu sprechen. Er hat die Zwischenwände seines Hauses mit Shit vollgestopft, und solange seine Frau die Kohle nach Hause bringt, rührt er keinen Finger. Pepe, du mußt zu andern Leuten gehen. Meine Kontakte sind alle tot, und die Sache stinkt, stinkt ganz fürchterlich. Wenn die Absteigen geschlossen werden, wie es jetzt passiert ist, daß keiner mehr rausoder reinkommt, dann heißt das, es wird ernst und dauert lange.«
»Komm, gehen wir etwas trinken! Kannst du mitkommen?«
»Wenn ich sage, warum, dann schon.«
»Was für einen Grund gibst du an?«
»Daß ich mit dir einen trinken gehe!«
Ginés stieg pfeifend hinab und war schon unten, als Carvalho noch im zweiten Stockwerk war.
»Und wie steht’s mit der Politik? Mal sehen, wann Chruschtschow mit der Vespa angefahren kommt!«
»Chruschtschow kommt nicht mehr mit der Vespa und auch nicht mit etwas anderem. Er ist tot. Und laß mich bloß mit Politik zufrieden!«
»Dabei dachte ich schon, da hätte ich nun einen Freund, der es mal zum Minister bringt!«
Sie kamen zum Bauführer.
»Hör mal, der Señor hier hat Durst, und ich will ihn begleiten.«
»Und was soll ich dem Chef sagen, wenn er vorbeikommt?«
»Dein Problem.«
Der Capo brummelte etwas hinter ihnen her. Ginés hielt die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen.
»Bleib nur hier, alter Griesgram, jawohl, ein Griesgram bist du. Der hat ein Magengeschwür, weißt du das?«
»Du selbst auch.«
»Aber ich vernichte es mit Alkohol.«
»Kannst du hier machen, was du willst?«
»Die haben Respekt vor mir. Ich bin der Beste! Und für die ist es sowieso besser, wenn ich zufrieden bin.«
Carvalho wußte genau, wo bei Ginés die Eichstriche lagen: Beim vierten Glas begann er immer von seiner Mutter zu erzählen, beim sechsten von seinem legendären Bruder, dem Kumpan seiner durchzechten Nächte, und nach dem zehnten sprach er über alles, was Carvalho wollte. Den Fußboden dieser Bar voller Tische aus getüpfeltem Plastik und Kalender mit üppigen Bikinischönheiten bedeckte eine Schmutzschicht, die auch Carvalhos ungeduldig scharrende Fußspitze nicht durchstoßen konnte.
»Ginés! Wenn dir ein Tausender winkt, meinst du nicht, du könntest heute nacht die Geschichte von dem Ertrunkenen recherchieren?«
»Für dich würde ich alles tun, Pepiño. Aber die Zeiten sind schlecht, das schwör’ ich dir! Und meine Mutter kränkelt. Ich möchte ihr nicht noch mal den Ärger machen, daß ich in den Bau gehe. Versuch es doch mal bei Bromuro. Wenn der nichts weiß …«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher. Und wenn dir der keine Auskunft geben konnte, kann es keiner. Wahrscheinlich weiß nicht mal die Polizei Bescheid.«
»Der Ertrunkene hatte noch alle Finger, und es gibt so ein Ding, das heißt Personalausweis.«
»Stimmt. Aber wenn nichts durchgesickert ist, dann deshalb, weil die ganze Sache supervorsichtig behandelt wird. Du trinkst überhaupt nichts, Pepe! Mich machst du
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