Per Anhalter (German Edition)
mit involviert. Mensch, was war das noch gleich… Die Sache ist jedenfalls geplatzt und das Ding steht seit Jahren leer... Was will die Fotze hier? Er selbst bekam die Geschichte in seinem Kopf nicht mehr ganz zusammen. Vor ein paar Jahren kaufte ein russischer Investor die Kleingartenkolonie auf. Die Kleingärtner bekamen Abfindungen doch nicht alle ließen sich darauf ein. Er selbst vertrat die Verweigerer der Abfindung vor Gericht - und verlor in letzter Instanz den Prozess. Das Gelände war in öffentlicher Hand und die Verträge hatten entsprechende Klauseln enthalten, die der Gemeinde ermöglichten, nach Ablauf der Vertragsfrist frei über die Fläche zu verfügen. Und da war nicht dran zu rütteln. Die Kläger gingen leer aus. Das gesamte Gelände gehörte nun dem Investor und der plante, dort ein Einkaufszentrum zu errichten. Der mit dem meisten Geld hatte - seltsam, seltsam - den Zuschlag erhalten. Doch auch für ihn lief es letztlich alles andere als geplant.
Wie sich nämlich bald herausstellte, war der Untergrund des Geländes vollkommen versumpft und eignete sich folglich nicht im Geringsten für den Bau eines Einkaufszentrums.
Die Kosten für die Trockenlegung des Sumpfgebietes waren unabsehbar hoch und so war das gesamte Gebiet zwar vollständig in russischer Hand, wurde jedoch nie auch nur für irgendetwas genutzt, da sich später auch noch herausstellte, dass es hier Fledermäuse gibt.
Das ganze Gelände vegetierte nur vor sich hin und verwilderte, zur Freude von Naturschützern, über die Jahre. Ein riesengroßes Biotop in privater Hand.
Bei Wolfgang schrillten nun indes die Alarmglocken. Er witterte einen Hinterhalt. Für ihn war klar, dass die Frau sich nicht lumpen ließ. Ihr aggressives Potential hatte er am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Vielleicht hatte sie einen Komplizen, der dort irgendwo auf sie wartete. Möglicherweise ebenfalls mit einer Waffe. Nach und nach löste sich der Staub in Wohlgefallen auf. Und er saß einfach nur so da und dachte nach. Der Motor lief noch. Niemand kann mir verbieten dort rein zu fahren. Ich bin nur zufällig hier, werde ich im Notfall sagen. Man sieht sich immer zweimal im Leben. Klingt vielleicht nicht realistisch, aber was will sie denn machen? Ich bin ein freier Mann und kann hinfahren und hingehen wo immer ich will. Und das werde ich auch. Oh ja, das werde ich .
Trotz allem hatte er ein komisches Gefühl als er in den engen Weg abbog. Es ging schier endlos lange geradeaus, bis am Wegesrand die Überreste alter Baracken auftauchten. Es war, als würde man durch eine Geisterstadt fahren, oder vielmehr ein Geisterdorf, dass die Bewohner vor Jahrzehnten in Panik verlassen hatten.
Das Gras am Wegesrand war unglaublich hoch und wucherte bereits bis auf den ehemaligen Pfad. Die Halme schienen nach dem Auto zu greifen wie die dürren Finger eines schwerkranken, hungrigen Obdachlosen.
Je weiter er kam, desto weniger war von dem Pfad zu erkennen.
Alles war eine einzige große Graslandschaft.
Gartenlauben blitzten zwischen verwilderten Hecken hervor.
Teilweise standen sogar noch Kinderschaukeln herum.
Ein rundweg trostloser Ort, und obwohl er es sich zunächst nicht selbst eingestand, fürchtete er sich hier. Vor nichts konkretem, nur vor der Umgebung, dieser alles verschlingenden Einsamkeit mit all diesen Relikten aus einer längst vergangenen Zeit.
Die Kinder, die hier einst schaukelten, waren womöglich längst erwachsen und hatten selbst Kinder, und jene Menschen, die hier einst Ruhe und Entspannung fanden, lebten vielleicht schon gar nicht mehr. Er verlangsamte sein Tempo immer mehr.
Eigentlich wollte er nur noch weg von hier. Der Ort schien ihn aufzuzehren, ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen.
Durch das offene Seitenfenster drang der Geruch unberührter Natur hinein. Ein Geruch nach Gras und aufgestauter Hitze.
Vergangenheit und Gegenwart schienen miteinander zu verschmelzen.
Längst kam Wolfgang sich vor wie in einem Horrorfilm.
Gleich würden sich die morschen Balken der Schaukeln biegen, die Seile würden sich unter quietschendem Protest vor und zurück bewegen und längst verhalltes Kinderlachen aus der Unendlichkeit transportiert werden.
Er zweifelte an seiner geistigen Gesundheit, aber der Teufel sollte ihn holen, wenn hier nicht etwas ganz gewaltig faul war. Wo war diese Frau hin? Lebte sie etwa in einer dieser heruntergekommenen Gartenlauben? Wohl kaum! Er schaute in den Rückspiegel. Nichts zu sehen außer meterhohen
Weitere Kostenlose Bücher