Per Anhalter (German Edition)
schon.
„Du bist ein bezaubernd hübsches Mädchen, Lena. Du hast es nicht nötig, dir die Männer über das Internet zu suchen. Du findest auch hier einen Freund. Hier in Flensburg. Da brauchst du nicht in der Weltgeschichte rum surfen und mit irgendwelchen wildfremden Männern zu chatten.“ Und vom Prinzip her hatte er Recht. Sie wusste selbst aus eigener Erfahrung, wie viele gestörte Typen im Chat lauerten. Davon hatte sie ihm natürlich nicht erzählt.
Hätte sie das getan, hätte er ihr noch den Computer aus dem Zimmer genommen. Sie war vielleicht jung, aber doch nicht blöd.
Sie würde schon allein klar kommen.
Und was David anbetraf, da war sie inzwischen auch froh, dass sich alles in Wohlgefallen aufgelöst hatte und sie endlich wieder in ihrem alten Leben angekommen war.
Keine permanenten Liebesbekundungen von ihm, auf die sie eingehen musste, keine ewig langen Chats, die immer wieder um das gleiche gingen, und endlich auch mal wieder Zeit für ihre Freundinnen und Freunde… Und eben für Brian.
Sie lag noch im Bett.
Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie gar keine besonders große Lust darauf, sich mit ihm zu treffen. Aber abgemacht war abgemacht und vielleicht würde es ja sogar richtig nett werden. Sie lauschte und hörte das Rascheln der Schlüssel ihrer Mutter. Sie hustete, dann schloss sie irgendeine Tür, ging noch einmal durch den Flur und öffnete dann die Haustür. Die Schlüssel klimperten… Und dann war sie weg.
Lena richtete sich in ihrem Bett auf, schlug die Decke zur Seite und ging auf den Spiegel zu, vor dem sie ihre Haare kämmte. Ihr Handy lag auf dem Sekretär, auf dem sich auch ihr Computer befand. Sie schaute drauf. Nichts. Niemand hatte ihr geschrieben oder versucht, sie zu erreichen. Die Bilder von David und all seine Nachrichten (sowohl die Kurznachrichten aus der Zeit, als er noch Geld auf dem Handy hatte, wie auch die E-Mails und Chatprotokolle) hatte sie längst gelöscht. Sie wollte keine Erinnerungen mehr an diesen Idioten haben.
Immer noch war sie wütend auf sich selbst, dass sie so blöd gewesen war und sich auf ihn eingelassen hatte. Wie konnte sie das nur tun? Wie konnte sie so beschissen dämlich sein? Auf dem Computer und ihrem Handy waren keine Bilder mehr, doch in ihrem Kopf war David immer noch präsent.
Er war ein hübscher Kerl, gar keine Frage, aber es gab noch hübschere. Er war liebevoll und sie kaufte ihm ab, was er schrieb und sagte, aber auf Dauer ging es ihr auch auf den Keks.
Mit Brian würde ihr das auf diese Art und Weise faktisch niemals passieren.
Er war ein ganz anderer Typ als David.
Das, wovon David zu viel besaß, davon hatte Brian zu wenig.
Er würde nie auf die Idee kommen, ellenlange E-Mails zu schreiben oder sich gar an Gedichten versuchen. Für solche Schmonzetten und Liebenswürdigkeiten nahm er sich keine Zeit.
Brian hatte eigentlich nicht viel mehr im Kopf, als sein BMX-Rad, Döner essen und um die Häuser ziehen. Er war ein kleiner, dünner Kerl mit blondem Haar und niedlichen, hellblauen Augen. Sie hatte ihm einmal einen geblasen und dabei ihren Kopf auf seinem Bauch liegen gehabt (dies hatte sie David natürlich nie erzählt, im Gegenteil, sie behauptete ihm gegenüber sogar, noch Jungfrau zu sein) er war steinhart vor Muskeln.
Das gefiel ihr. Aber ansonsten hatte Brian wenige Vorzüge, die sie reizten. Wenn man mit ihm länger als ein- bis zwei Stunden abhing, hatte man schon die Schnauze voll von seinem Gelaber und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er endlich die Klappe hielt oder sich jemand anderen zum dicht texten suchte. Er hörte sich offenbar selbst sehr gerne reden. Wäre ja an sich auch kein allzu schlimmes Problem, wenn sein Gerede sich nicht nur um irgendwelche Tricks auf dem BMX drehen würde oder darüber, was sein Rekord im Döner essen war. Wenn man Brian selbst mal etwas erzählen wollte, dann war es, als spräche man mit einer Wand. Einer sehr gut aussehenden Wand, zugegeben, aber eben doch mit einem, nun ja, ziemlich geistlosem Objekt.
Er bemühte sich dann zwar, zuzuhören, aber er musste immer irgendwas in der Hand haben oder in der Gegend herum schauen und wenn zufällig jemand den er kannte vorbeikam, war das viel interessanter für ihn, so dass man nicht lang darüber nachdenken musste, ob etwas bei ihm oben im Kopf angekommen war oder nicht. Offen gesagt war es ihr schleierhaft, warum sie sich für heute Vormittag mit ihm verabredet hatte.
Das heißt, sie wusste schon, worauf
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