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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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hierher war er gegen einen Laternenpfahl gedonnert, hatte insgesamt drei parkende Fahrzeuge gerammt und wäre um ein Haar frontal mit einem entgegen kommenden Lastwagen kollidiert. Dass er überhaupt lebend an der Praxis ankam, grenzte an ein Wunder. Überall war Blut. Der Innenraum seines Audis sah aus, als hätte darin ein Amoklauf stattgefunden. Dabei war er nur gebissen worden. Ganz recht - gebissen!
     
    Er war todesmutig auf den verfluchten Zigeuner zugesprungen, um sich seine eigene Waffe wieder zu holen. Und dabei war es dann passiert. Er wurde gebissen. In die Schulter, in den Bauch und mitten ins Gesicht. Wie ein tollwütiges wildes Tier hatte dieser Wahnsinnige  immer wieder zugebissen, bis Fetzen seiner Haut und seines Fleisches aus seinem Mund hingen. Irgendwie war es Wolfgang gelungen, nach der am Boden liegenden Beretta zu greifen, sie in die Hand zu nehmen und abzudrücken. Er hatte dem Zigeuner sprichwörtlich das Hirn weggepustet, auf so opulente Weise war sein Schädel in Stücke zerfetzt. Regelrecht auseinander gerissen, wie eine Wassermelone die man auf den Boden fallen lässt.
    Das Blut in seinem Gesicht und auf seiner Kleidung, stammte demnach nicht von ihm allein. Er war ohne großartig nachzudenken wie eine besengte Sau los gebraust. Dann kamen die Schmerzen und schließlich die Gedanken. Gedanken an das, was ein mit Bakterien belastetes menschliches Gebiss anrichten kann... Und nicht lange danach spürte er, was es anrichtete. Und sah es. Und der Schmerz wurde unermesslich.
    Dass ein Mensch überhaupt dazu in der Lage war, solch elementare Kräfte mit seinen Zähnen freizusetzen, hätte Wolfgang nicht für möglich gehalten. Dieser Zigeuner war kein normaler Mensch. Das musste einer sein, dem noch die Gene der Uhrzeit in den Knochen steckten. Ein Wilder, dessen Zähne noch die Unwägbarkeiten gewisser Nahrung kannten. Anders waren diese fast schon animalischen Kräfte nicht zu erklären.
     
    Er schleifte sich bis an den Tresen heran. Ausgerechnet jetzt war er von keiner Arzthelferin besetzt. Doch er hörte ein Raunen aus dem Wartezimmer, das gleich nebenan lag und nur durch eine Glaswand abgetrennt war. Einige der Patienten sprangen auf, blieben jedoch in sicherem Abstand stehen. Eine junge Arzthelferin mit Haaren, die so schwarz waren wie das Gefieder einer Krähe, kam angerannt und beugte sich über ihn. Sie sagte immer wieder „Hallo“, und „Ist alles gut bei Ihnen? Verstehen Sie mich?“
    Wolfgang war trotz der wahrhaft überflüssigen Fragen um eine Antwort bemüht, doch er brachte nichts außer einem gequälten Stöhnen heraus. Er hatte irrsinnige Schmerzen, besonders am Bauch. Er hörte genau was die Leute sprachen und sah, wie sie sich entsetzt abwandten. Die junge Arzthelferin jedoch blieb bei ihm. Sie berührte ihn am Nacken und wollte ihn in die stabile Seitenlage drehen. Hilfe hätte sie zwar gut gebrauchen können, doch die war von niemandem hier zu erwarten. Das Spektrum einer Arzthelferin ist breit und die junge Frau hatte demzufolge keinerlei Berührungsängste wegen des vielen Blutes.
    Sicher, sie hatte in ihrem Beruf schon einige große und kleine Schweinereien zu sehen bekommen. Adipöse Omas mit Käse unter den schlauchartigen Dingern, die einmal ihre Brüste waren zum Beispiel, oder Patienten mit Dekubituswunden oder Krebs, der schon mit pestilenzartigem Gestank aus ihnen heraus wucherte. Arzthelferinnen sind Kummer und körperliche Ausnahmezustände gewohnt. Doch als die junge Frau Wolfgang gerade ein paar Zentimeter zur Seite gedreht hatte, verblasste ihr hübsches Antlitz zu einer bleichen Fratze des Entsetzens. Hier stieß selbst sie an ihre Grenzen und wich von ihm, als ob er ein tödliches Gift verströmte. So etwas hatte sie dann wohl doch noch nicht gesehen. Weder in der Realität noch in einem ihrer Lehrbücher.
    Aus einer klaffenden kreisrunden Wunde am Bauch hing eine blutverschmierte Wulst pulsierender Därme aus ihm heraus. Er hatte sie über den gesamten Fußboden geschleift. Die Wunde an der Schulter hatte sie noch gar nicht gesehen, denn auf dieser lag Wolfgang.
    Dafür sah sie die Wunde auf der Stirn - sie sah aus, als hätte ein motorisch nicht gerade begabtes Kind versucht, mit der Bastelschere etwas Rundes auszuschneiden. Ein gezacktes, rotes Loch war stattdessen entstanden, mitten auf der Stirn, aus dem eine Flüssigkeit suppte die nicht wie Blut sondern eher wie Eiter aussah. Skurriler Weise war ihre größte Sorge in diesem Moment der

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